Wartehäuschen Landgericht: Umbau für nur 1 Mio. €

Nach den vier Millionen Euro für 500 Meter Aue [1] kostet der Umbau einer Haltestelle nun eine Million Euro – in eine Richtung.

Für eine Million Euro sollen rund 300 Meter B 7 am Amtsgericht „neugestaltet“ werden. [2] Dies beinhaltet den „barrierefreien Ausbau“ der Haltestelle Landgericht in Fahrtrichtung Westen (a), die Verdrängung der Radfahrer auf einen eigenen aufgepinselten Mobbingstreifen (b) sowie den Entfall der Gehweg-Parkplätze (c).

Aktuelle Stellenangebote:

(a) Eine barrierefreie Bushaltestelle – braucht es deshalb „mehrere hundert Jahre“?

Während die Verlegung inklusive barrierefreiem Ausbau der Haltestelle „Polizeipräsidium“ quasi kostenlos „in der Kanalbaumaßnahme [der WSW] enthalten“ war, steht nun für die Bushaltestelle „Landgericht“ in einer Richtung eine siebenstellige Summe an, vgl. VO/0455/20. [4] Dabei haben wir keinen hunderte Meter langen Bahnsteig umzubauen, sondern die Anhebung des Bordsteins auf 16 cm auf einer Länge von 18 Metern sowie die Ausstattung mit taktilen (für Blinde ertastbare) Elementen. [4]

Das Wartehäuschen in Fahrtrichtung Ost (Barmen) liegt leider außerhalb des neu designten Straßenbereichs und ist in den Kosten nicht enthalten. Wobei sich die Frage stellt: Warum schmeißt die Stadt Wuppertal mit siebenstelligen Beträgen für 300 Meter Straße um sich, wenn sie den barrierefreien Haltestellenumbau zwischen 2013 und 2022 komplett verpennt hat [5] und mit demselben Betrag rund 40 Haltestellen (laut [12]) barrierefrei umbauen kann?

(b) Ein kurzer und möglichst oft unterbrochener, aufgemalter „Radweg“ ist nicht sicher

Ohne ein konkretes Gesamtkonzept für die gesamte Allee werden Radfahrer einmal mehr erfolgreich für ein paar hundert Meter aus dem fließenden Verkehr gemobbt und dürfen sich im Anschluß dort wieder unfallträchtig einfädeln. In Fahrtrichtung Westen wird der an der Einmündung Eiland beginnende Radweg direkt durch die Bushaltestelle unterbrochen und endet im Rechtsabbieger zur Hofaue/Wupperstraße. In Richtung Osten beginnt das Mobbing am Košice-Ufer und endet am Rechtsabbieger zur Bendahler Straße. Da die Radstreifen nur aufgepinselt werden, können Autofahrer als „die anderen Radfahrer“ bei Stau bequem den Radweg befahren und dann rechts abbiegen. Dies wird ja in anderen Städten erfolgreich vorgemacht. Sicherheitsgewinn für Radfahrer: Null.

Ein Gesamtkonzept ist nicht in Sicht. Wenn schon, dann muß ein durchgängiger, baulich getrennter Radweg vorhanden sein, um Sicherheit und Akzeptanz unter den Radfahrern zu schaffen. Zur Klarstellung wurde aber ein „Popupradweg“ auf der historischen Allee als Alternative zu einer millionenteuren „verkehrlichen Untersuchung“ schon mal abgelehnt. [6] Ebenso warten die Anwohner der historischen Allee bis heute auf eine Umsetzung der gesetzlich verpflichtenden Maßnahmen zum Schallschutz. [7]

Leider fällt die Ampelanlage am Košice-Ufer unter den Tisch: Die Fußgängerampel ist nicht akustisch für Blinde signalisiert, die Kontaktschleife erkennt Radfahrer nicht und der grüne Blechpfeil (Zeichen 720 StVO) ist bei angelegten Radwegen rechtswidrig. Aber das war bisher ja auch egal: die fehlende Sicht vom Košice-Ufer auf die B 7 wurde bisher ebenso wegignoriert wie die Tatsache, daß hier dutzende Kinder auf dem Weg zur Kita „Rabbatz“ bei Grün das Košice-Ufer queren und Eltern ihre Kinder kurz anleinen müssen, damit sie nicht von Autofahrern überfahren werden.

(c) Entfall der Gehweg-Parkplätze oder: „Ermessen“ nach Landrecht

Generationen von Oberbürgermeister und Stadtdirektoren kennen seit Jahrzehnten nur eine Maßnahme zur Bewältigung ständig steigender Fahrzeuge auf den Straßen: „Duldung“ von Gehwegparken oder gar Anordnung von illegalem Gehwegparken wie auf der B 7 im Bereich des Amtsgerichts, selbst wenn Fußgänger dann eben hintereinander laufen oder auf die Straße ausweichen müssen.

Daher ist es tugendhaft, daß das Amt 104 nach nur 68 Jahren moderner Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) [8] von sich aus auf die Idee kommt, den Fußgängern ihren Gehweg zu lassen. Es wäre nach Abgang von F.M. schön, wenn die Einhaltung der StVO den Regelfall darstellt und nicht in ein angebliches „Ermessen“ nach Landrecht gelegt wird, wann die Vorgaben der StVO umgesetzt werden und wann nicht. [9]

Ein Youtuber schrieb passend zur Hünefeldstraße: „Wuppertal hat sich scheinbar erfolgreich als neuer Endgegner für Radfahrende beworben und tut alles dafür, den Zuschlag zu bekommen.“ [10] – Da ist die Planung an der B 7 beim Amtsgericht keine Ausnahme.

Um es klipp und klar zu sagen: Kritisiert wird nicht, wenn man für Maßnahmen Geld in die Hand nimmt. Kritisiert wird, daß es einmal exorbitante Summen sind, während bei vielen anderen Projekten geknausert wird. Die Stadt hat es mit ihrem Gejammer um „fehlende personelle und finanzielle Ressourcen“ um den barrierefreien Umbau der Haltestellen (unter anderem [11] [12]) bis ins „ZDF Magazin Royale“ geschafft. [13]

Die punktuelle Anlage von oft unterbrochenen Radwegen ohne ein stimmiges und zügig umgesetztes Gesamtkonzept erhöht nicht die Sicherheit des Radverkehrs, sondern schafft Barrieren wie das ständige Wiedereinfädeln in den Verkehr. Nicht zuletzt die fehlende Vorgabe an Veranstalter wie jüngst beim Elberfelder Cocktail, bei Kabelkanälen rollstuhlgerechte Rampen zu verwenden, schließen ganze Bevölkerungsgruppen wie Rollstuhlfahrer von der Teilnahme am öffentlichen Leben aus.

Hinweise und Verweise:

[1]

500 Meter „Aue“ für vier Millionen Euro

[2] Neugestaltung der Friedrich-Engels-Allee (B 7) zwischen Brücke Kluse und Einmündung Bendahler Straße, VO/0888/24,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=32124

[3] WZ: Barrierefreier Umbau der Wuppertaler Haltestellen könnte „mehrere hundert Jahre“ dauern,
https://www.wz.de/-63665757

[4] Friedrich-Engels-Allee; Verlegung der Haltestelle Polizeipräsidium mit barrierefreien Ausbau, VO/0455/20

[5] Das Personenbeförderungsgesetz wurde zum 1.1.2013 in § 8 um die Erfordernis ergänzt, bis zum 1.1.2022 sämtliche Haltestellen barrierefrei umzubauen. Während einige kleinere Kommunen nach diesen fast Jahren bereits vollständig barrierefrei sind, haben Städte wie Wuppertal dieses Erfordernis erfolgreich verpennt.

Mit den jährlich veranschlagten 1,5 Millionen Euro für „Gutachten und Verwaltungsaufwand BUGA“ könnte man ebenso jährlich 300 Straßeneinmündungen oder 200 Bushaltestellen barrierefrei umbauen.

§ 8 – Personenbeförderungsgesetz (PBefG), Absatz 3, Satz 3:

Der Nahverkehrsplan hat die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen.

[6] Versuchsweise Einrichtung eines Radweges auf der Friedrich-Engels-Allee, VO/1218/19,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=23489

[7] Kommunen sind seit 2008 verpflichtet, den Lärmpegel jeder (Haupt-) Straße rechnerisch zu ermitteln und bei Überschreitung gewisser Durchschnittslärmpegel Lärmaktionspläne (LAP) aufzustellen. In Runde IV (vorgestellt Mitte ’24) ist erstmalig auch die B 7 in der Talachse vertreten.

[8] Straßenverkehrs-Ordnung vom 29. März 1956, § 8 Absatz 1, Satz 1:
„Der Führer eines Fahrzeugs hat … die Fahrbahn zu benutzen.“

[9] Rücknahme halbachsiges bzw. vollachsiges Gehwegparken in Barmen, VO/0816/22;
Dort sehen wir den obigen, konkreten Abschnitt an der B 7 Höhe Amtsgericht. Wo heute nach StVO die Stellplätze auf dem Gehweg wegfallen, hieß es damals: „Die Restgehwegbreite beträgt auf den meisten o.g. Bereichen der Straßen durchschnittlich unter 1,50m, wenn dort wie aktuell halbachsig geparkt wird. Da aus straßenentwurfstechnischer Sicht die Situation nicht optimal aber tolerabel ist und es ebenfalls keine Beschwerden in den Teilbereichen gibt, sieht die Verwaltung aufgrund der Abweichung in Abwägung der Interessenlagen keinen Regelungsbedarf. Die Fußgängerfrequenz wird nicht als erhöht angesehen, da sich im naheliegendem Umfeld keine Fußgängerzone oder eine Ansiedlung von Einkaufsmöglichkeiten befindet.“
Der Verkehrsausschuß winkt diese „Abwägung“ zwischen StVO und Landrecht wie üblich(?) mehrheitlich durch.
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=27573

[10] Fahrrad Dashcam Deutschland #235, August 25, 2024, Wuppertals Beitrag ab Minute 6:

[11] Powerpoint-Präsentation für den Seniorenbeirat, Seite 12/13
Feststellung:
→ Das langfristig angelegte Ziel eines „vollständig barrierefreien ÖPNV“ benötigt im Haltestellenausbau mit dem bisherigen Tempo in der Konsequenz mehrere hundert Jahre!
→ Es bedarf in Wuppertal dringend einer Aufstockung der finanziellen und der personellen Ausstattung in völlig neue Dimensionen.
→ Konsequenzen: Achselzucken.
https://ris.wuppertal.de/getfile.asp?id=288838&type=do

[12] Konzept für einen barrierefreien ÖPNV Wuppertal (Nahverkehrsplan Teil I)
„Allerdings ist ohne eine substantielle Aufstockung finanzieller und personel-
ler Ressourcen davon auszugehen, dass die Erreichung der vollständigen Barrierefreiheit im
Bereich der Haltestelleninfrastruktur mehrere hundert Jahre (!) in Anspruch nehmen wird.“
„Bei ca. 25.000 €, die für einen barrierefreien Haltestellenumbau im Schnitt zu veranschlagen sind, reichen die perspektivisch vorhandenen Haushaltsmittel, ohne ergänzende Förderung, nur für eine einstellige Zahl von Haltestellen pro Jahr…“
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=26069

[13] WZ: „Jan Böhmermann macht sich über Wuppertal lustig“, 16. April 2023,
https://www.wz.de/-88630021
R.I.P. Innenstädte – Bummeln zwischen Beton und Nagelbrettern | ZDF Magazin Royale, barrierefreier Umbau der Haltestellen ab Minute 13,
Anti-Liege-Goldbänke, aber keine öffentlichen Toiletten in Elberfeld, Minute 18:20,

Anmelden

Aktuelle Stellenangebote:

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert