Was bedeutet der Erfolg in Thüringen für Die LINKE in Wuppertal?

„Der Erfolg der LINKEN bei der Landtagswahl in Thüringen ist für die Kommunalwahl in Wuppertal ein Ansporn" sagt die Kreissprecherin Susanne Herhaus.

„Wir haben Bodo Ramelow schon 2017 nach Wuppertal eingeladen und hatten anregende Gespräche.“

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Das neue Vergabegesetz in Thüringen macht als erstes Tariftreue und repräsentativen Löhne in allen Branchen zur Bedingung. Der Vergabemindestlohn liegt bei 11,42 Euro. Zwei Kindergartenjahre sind gebührenfrei und mehr Personal für bessere Betreuung wurde eingestellt. Außerdem wurde der von der CDU beschlossene Stellenabbau in den Schulen gestoppt und mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt und besser bezahlt. Der soziale Wohnungsbau wurde in Thüringen wiederbelebt und den Bau von über 1500 Sozialwohnungen gefördert.

Damit entspricht die Landespolitik den positiven Erfahrungen und den Erwartungen der Wählerschaft.

DIE LINKE gewinnt als Regierungspartei mit ihrem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow 2,8 %, das sind über 78 000 Zweitstimmen dazu und erreicht mit 31 Prozent ihr stärkstes Ergebnis überhaupt bei einer Landtagswahl. Die Regierungsbeteiligung hat also nicht geschadet. Vielmehr basiert der Erfolg auf einer solchen Orientierung.

Soziale Sicherheit spielte die größte Rolle für die Wahlentscheidung von 27 Prozent der LINKEN, 11% der CDU- und nur 6% der AfD-WählerInnen. Allerdings gaben immerhin 20% der AfD und 18% der CDU-WählerInnen (und ebenfalls 18% der LINKEN-WählerInnen) „Löhne und Rente“ als wichtigste Themen für ihre Wahlentscheidung an. Dazu passt, dass der Thüringer Arbeitsmarkt gespalten ist. Laut DGB arbeiten über 300 000 Beschäftigte in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis (Leiharbeit, Befristung, Mini- oder Midi-Jobs). Insbesondere Frauen sind betroffen. Hier gibt es zweifellos starke Parallelen zum Arbeitsmarkt in Wuppertal.

Bei den Kompetenzzuschreibungen schafft DIE LINKE Bestwerte: Sie ist zum einen in ihrem Kernkompetenzfeld Soziales gut positioniert. Die Bildungspolitik sieht ein knappes Drittel bei der LINKEN in guten Händen – mit einem Plus von 6 Punkten übernimmt sie in diesem Ressort die Kompetenzführerschaft der SPD. In der Familienpolitik (32 Prozent, +2) und bei der Schaffung sozialer Gerechtigkeit (35 Prozent, +1) setzt ebenfalls rund ein Drittel auf DIE LINKE.

Auch wenn das manche als sozialdemokratische Politik bezeichnen, es ist konsequente soziale Politik, mit der man Wahlen gewinnen kann. Nicht umsonst hat der Bundesvorsitzende der Liberalen darauf hingewiesen, dass DIE LINKE für den Sozialismus steht. 50% der Wählerschaft der LINKEN wählte wegen des Programms und der Sachlösungen, nur 37% wegen des Spitzenkandidaten DIE LINKE (und 14% bezeichnen sich als Stammwähler). In der Wanderungsbilanz kommt der größte Zulauf aus dem Bereich der Nichtwähler (+53.000 Stimmen), von der CDU (+23.000) und der SPD (+20.000). Es ist also so etwas wie eine erfolgreiche Umgruppierung des sozialdemokratischen Stimmenpotentials zu verzeichnen.

Überschattet wird das Ergebnis allerdings durch die Zustimmung für eine Partei, deren Spitzenkandidat wohl mit Fug & Recht als Faschist bezeichnet werden kann. Dieser Schneeball muss zertreten werden bevor er zur vernichtenden Lawine wird.

Die LINKE hat als politische Kraft die Gegnerschaft gegen eine Systemveränderung von rechts bündeln können. Von den Ergebnissen in Thüringen könnte das Signal ausgehen, dass es eine Möglichkeit gibt, die zersplitterte Linke in Deutschland über alle Gräben hinweg in einem Regierungsbündnis zu sammeln. Auch in Bremen ist Die LINKE an der Regierung beteiligt.

Die Grünen legten in Thüringen nur bei jungen WählerInnen zu, ansonsten haben sich die Zustimmungswerte kaum verändert. Bei den Personen zwischen 18 und 24 Jahren erzielten sie überdurchschnittliche Ergebnisse, insbesondere bei den 18-24-Jährigen Frauen, darüber hinaus bei formal höher gebildeten. 79 Prozent (+21 Prozentpunkte) der Grünen-Anhänger entschieden sich aufgrund der Sachlösungen für ihre Partei. 44 Prozent der WählerInnen gibt den Klimaschutz als wesentlichen Wahlgrund an. Zugleich finden allerdings auch jeweils mehr als Zweidrittel, dass sich die Grünen zu wenig um Arbeitsplätze kümmern und sie es mit dem Klimaschutz übertreiben. Dabei hatte das programmatische Angebot einen nochmals höheren Stellenwert als 2014.

Die thüringischen Sozialdemokraten verloren in nahezu allen Bevölkerungsgruppen an Zustimmung, besonders deutlich bei jungen Frauen, Arbeitern und niedrig Gebildeten. Der Bundestrend scheint für die SPD insgesamt klar negativ gewirkt zu haben: 89% aller Wahlberechtigten in Thüringen finden laut Infratest, dass ihr auf Bundesebene überzeugendes Personal fehlt, 80% glauben, dass sie sich zu viel um Personalfragen und zu wenig um Inhalte kümmere und 77% meinen, dass sie in der Bundesregierung viel versprochen hat, davon aber nichts bei den Menschen ankommt. Im Vergleich zur letzten Landtagswahl hat das Splitting der SPD-Wähler in Thüringen zugenommen. Davon profitierten in den thüringischen Wahlkreisen vor allem Kandidaten der Linken. Auch ein Viertel der LINKEN-Wähler stimmten taktisch klug mit der Erststimme für eine Kandidatur aus einer anderen Partei.

Die Rechtsaußen-Partei AfD gewann mehr als alle anderen aus dem Bereich der Nichtwähler (+78.000 Stimmen), vor allem aber von der CDU (+36.000 Stimmen), weniger von den Linken (+16.000 Stimmen) oder anderen Parteien. Das gute Ergebnis der völkisch-nationalistischen Rechten vor allem in den jüngeren Altersgruppen ist eine Zuspitzung der Problemlagen.

Aber im Westen fehlt die rechte Erzählung von der nötigen zweiten Wende, in der sich negative Alltagserfahrungen bündeln lassen. Die AfD knüpft dabei an den Transformationsschock an. Unbestritten ist, dass die tiefsitzende Wut auf das politische Establishment auch in Westdeutschland eine soziale Basis oder einen Nährboden hat. Hier sollten die Verluste der Parteien der Mitte Warnung sein.Während das liberale Milieu der urbanen Zentren verständnislos beobachtet, wie sich der Osten teilweise einer rückwärtsgewandten und männlich dominierten Frust-Partei hingibt, die offen völkische und nationalistische Ideen gutheißt, muss genauer hingeschaut werden. Selbstverständlich gilt es, diese Ideen auf der Straße, auf der Familienfeier und in den Parlamenten zurückzuweisen statt ihnen mit Schweigen, Verharmlosung, Witzen oder Zugeständnissen noch Nahrung zu geben. Rechtspopulismus ist keine Ostmode; die Probleme in relativ abgehängten Regionen des Ostens und Westens sind sich recht ähnlich.

Deutschland leidet unter einem gewaltigen Gestaltungsstau. Es rächt sich, dass die etablierten Parteien jahrelang den Prozessen wie Globalisierung, Digitalisierung und Migration zu wenig Gestaltung aufgezwungen haben. Unter dem Regime von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist bei eher niedrigen Wachstumsraten und teilweise verbunden mit schmerzhaften Sozialkürzungen eine deutliche Erhöhung des Arbeitskräftepotenzials der Republik erreicht worden. Eine gesunkene Investitionsquote, der deutlich ausgeweitete Niedriglohnsektor und eine erhebliche Absenkung bei dem Niveau der Alterssicherung – diese Resultate der Logik neoliberaler Strukturreformen wurden durch Ausweitung der Beschäftigung im noch laufenden Konjunkturzyklus verdrängt. Aber das Programm des Laissez-faire spaltet die Gesellschaft.

(Bernhard Sander)

(Alle Zahlen-Angaben sind entnommen aus: Horst Kahrs https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/wahlanalysen/WNB_TH_LTW19.pdf)

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