Wegen Lebensgefahr: Gehwegradeln in der Busautobahn Friedrichstraße nun offiziell gestattet?

Die Staatsanwaltschaft meint: Gehwegradeln ist möglich und auch zumutbar.

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Foto A: Die Friedrichstraße südlich Karlsplatz als Fahrradhimmel- und hölle: Auf dem Gehweg mußt du radelt, denn das Fahrbahnfahren tun wir tadeln.

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Im vergangenen Jahr fährt auf der Friedrichstraße zwischen Neumarkt und Karlsplatz ein Busfahrer einen entgegenkommenden Radfahrer um Haaresbreite über den Haufen. Nicht etwa, weil der Busfahrer ein wenig Rücksicht nimmt und vom Gas geht, damit der Radfahrer nach den Hindernissen auf dem Parkstreifen an den Fahrbahnrand kann. Sondern weil der Busfahrer voll draufhält.

Es hat nur deshalb nicht geknallt, weil es der Radfahrer mit einem unglaublichen Schutzengel und Vollbremsung noch irgendwie an den Fahrbahnrand geschafft, sich dabei halb überschlagen und Hämatome zugezogen hat. Der Busfahrer sucht das Weite.

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Foto B: Manche werden erst richtig schnell/Wenn man ihnen aus dem Weg gehen will. Stur draufhalten anstatt mal kurz vom Gas gehen: was bei Drei nicht auf den Bäumen ist, wird über den Haufen gefahren.

Sollte ein Busfahrer wegen eines Autofahrers in die Eisen gehen und deshalb ein Fahrgast zu Schaden kommen, wird in der Regel gegen den Autofahrer wegen Fahrerflucht ermittelt, auch wenn es zwischen den beiden Fahrzeugen selbst zu keinem Kontakt gekommen ist („nix passiert“). Im konkreten Fall lehnt die Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahren gegen „Unbekannt“ mit einer etwas sonderbaren Begründung ab.

Wuppertaler wissen ja, daß sie nach Landrecht sicher auf dem Gehweg radeln.

In ihrem Schreiben an den Radfahrer teilt die Staatsanwaltschaft mit, es wäre dem Radfahrer ja „in der betreffenden Situation offensichtlich möglich und auch zumutbar gewesen“, die Fahrt auf dem Geh-/Radweg fortzusetzen. Nur: einen Radweg gibt es an der Unfallstelle nicht. Der letzte Radweg endet bereits am Karlsplatz.

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Foto C: Willst du dir den Sarg ersparen/mußt du auf dem Gehweg fahren.

Da stellt sich natürlich die Frage: Dürfen jetzt nach Landrecht offiziell alle Radfahrer den Gehweg benutzen, um eine Gefährdung ihrerseits durch entgegenkommende Kraftfahrzeuge auszuschließen? Oder handelt es sich nur um ein bedauerliches Mißverständnis, daß der „Geh-/Radweg“ doch nur ein Gehweg ist und, man ahnt es, gemäß § 2 (1) StVO auch Radfahrer mit ihren Fahrzeugen die Fahrbahn zu benutzen haben?

Stadt Wuppertal: Angeordnete Verkehrsgefährdung bei 3 m Fahrbahnbreite

Daß die Stadt Wuppertal den betreffenden Abschnitt der Friedrichstraße gar nicht hätte in Gegenrichtung für den Radverkehr freigeben dürfen, haben wir bereits geklärt [1 mwN]. Denn der Verwaltung sind ihre Vorschriften (VwV-StVO) hinlänglich bekannt, vergleiche VO/1033/16 zur Friedrichstraße und die fehlende Freigabe von Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Radverkehr auf dem Linienweg der 643 auf dem Ölberg respektive Bartholomäusstraße in Wichlinghausen.

Die Verwaltungsvorschrift schreibt bei Busverkehr in jedem Fall eine Mindestfahrgassenbreite von 3,50 m vor. Deshalb heißt es von der Verwaltung zu den drei vorgenannten Beispielen, hier Zitat aus VO/1033/16: „Da die Fahrgassenbreite der Friedrichstraße unter der erforderlichen Breite von 3,50m liegt, ist die Freigabe schon aus diesem Grund für den Radverkehr abzulehnen.“

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Foto D:40 Zentimeter für den Radverkehr?/Irgendwas läuft bei Planern im Kopp verkehrt.

Die Friedrichstraße wurde selbstverfreilich trotzdem freigegeben. Dies darf wohl getrost als vorsätzliche Verkehrsgefährdung bezeichnet werden, oder? Denn auf 3,0 Meter Breite ist schlicht keine Begegnung zwischen entgegenkommenden LKW/Bussen und Radfahrern möglich, selbst wenn diese aus lauter Rücksicht zu den Verkehrsplanern (hier: Verkehrtplanern) fast bis zum Stillstand abbremsen und dann gaaaaanz vorsichtig an einander vorbeifahren wollen.

Dem Radfahrer, der da am 24. November ’24 gegen Einbahn auf der Bartholomäusstraße radelte und in Höhe Huttenstraße von einem einbiegenden Autofahrer umgefahren wurde [2], kann man neben Genesungswünschen noch zurufen: „Ätschi-bätsch, selbst schuld.“ – Die Friedrichstraße ist aber offizielle Radroute zwischen dem Mirker Bahnhof auf der Nordbahntrasse und dem Hauptbahnhof. [1] Hier wird der Radverkehr auf einem Karlsplatz über einen vermeintlich sicheren Radweg geführt, der an dessen Ende in Höhe der Wilhelmstraße sprichwörtlich unter die Räder kommt.

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Foto E: Abbiegen nach Landrecht.

Nächstes Mal bekommt der Fußgänger bei grüner Fußgängerampel, den ein Busfahrer beim Rechtsabbiegen überfahren hat, noch den Rat von der Staatsanwaltschaft: „Es wäre Ihnen offensichtlich möglich und zumutbar gewesen, auf Ihren gesetzlichen Vorrang zu verzichten und den abbiegenden Bus durchzulassen.“

Fußnoten

[1] Vergleiche dazu auch:

Legal, illegal, Friedrichstraße?


(a) Die Stadt Wuppertal lehnt zunächst aus rechtlichen Gründen die Freigabe der Friedrichstraße, Abschnitt zwischen Neumarkt und Karlstraße, für den Radverkehr in VO1033/16 ab: „Nach der Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 220 Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Empfehlung für Radverkehrsanlagen, eignen sich solche Einbahnstraßen, die eine Breite von 3m aufweisen. Bei Linienbusverkehr oder starkem LKW-Verkehr muss die Fahrgassenbreite 3,50m betragen. Die Friedrichstraße wird stark von Linienbussen und Lastkraftwagen frequentiert. Da die Fahrgassenbreite der Friedrichstraße unter der erforderlichen Breite von 3,50m liegt, ist die Freigabe schon aus diesem Grund für den Radverkehr abzulehnen.“

VO/1033/16, TOP 9 der Sitzung der BV Elberfeld am 8. Februar 17;
https://ris.wuppertal.de/si0057.asp?__ksinr=14575

(b) In VO/0336/20 wird dann die Freigabe (a) trotzdem beschlossen. Darin heißt es zur Begründung: „Gemeinsam mit der Druckvorlage VO/0337/20 (Bereich Karlsplatz) handelt es sich um den verbleibenden Abschnitt der Achse zur Anbindung der Nordbahntrasse (Mirker Bahnhof) an
das Elberfelder Zentrum und den Hauptbahnhof.“ – Die gesetzlichen Voraussetzungen aus der VwV wie in VO/1033/16 werden selbstverfreilich gar nicht erwähnt, das könnte die beschließenden Politiker verunsichern.

Freigabe der Friedrichstraße für den Radverkehr in Gegenrichtung;
VO/0336/20, TOP 14 der Sitzung des Verkehrsausschusses am 10. Juni 20;
https://ris.wuppertal.de/to0050.asp?__ktonr=99813

(c) Zur Freigabe von Einbahnstraßen für den gegenläufigen Radverkehr im Bereich des Ölberg wird in VO/0700/24 ausgeführt:
„Folgende Voraussetzungen sind laut der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) und der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) für die Freigabe von Einbahnstraßen für den gegenläufigen Radverkehr zu beachten: […]
– eine Fahrgassenbreite ab 3,00 m mit ausreichendenden Ausweichflächen ohne
Linienbusverkehr
– eine Fahrgassenbreite ab 3,50 m oder mehr bei Linienbusverkehr oder stärkerem Verkehr mit Lastkraftwagen …“
Zur Reiterstraße heißt es deshalb: „In der Reiterstraße sind die o.g. Kriterien der VwV-StVO im Hinblick auf eine Freigabe für den gegenläufigen Radverkehr nicht erfüllt. Die Fahrgassenbreite liegt unter 3.50 m trotz vorhandenem Linienbusverkehr.“
Dasselbe gilt für die Marienstraße (zwischen Charlottenstraße und Hochstraße, Punkt 6).

Freigabe von Einbahnstraßen für den gegenläufigen Radverkehr im Bereich des Ölberg;
VO/0700/24, TOP 7 der Sitzung der BV Elberfeld vom 09. Oktober 24;
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=31910

(d) Zur Öffnung von Einbahnstraßen für den gegenläufigen Radverkehr im Bereich des
Schusterplatzes wird in VO/0549/16 zu den Abschnitten Hombüchel ist zwischen der Gertrudenstraße und der Reiterstraße, Marienstraße ist zwischen der Hochstraße und der Charlottenstraße, Charlottenstraße ist zwischen der Marienstraße und der Schusterstraße ausgeführt: „Die Buslinie 643 wird durch den genannten Straßenabschnitt geführt. Die erforderliche Restfahrbahnbreite, die bei einer Freigabe für den Radverkehr laut StVO und ERA 2010 min. 3,50m betragen müssen, ist nicht gegeben. Somit ist eine verkehrssichere Öffnung der Einbahnstraße
für den gegenläufigen Radverkehr nicht möglich.“

Einbahnstraßenfreigabe für den gegenläufigen Radverkehr – Mirker Straße und Hedwigstraße
Vorlage, VO/1334/21 (im Dokument selber als VO/0549/16 bezeichnet);
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=26121

(e) Zur Einbahnstraßenöffnung für den gegenläufigen Radverkehr – Oberbarmen wird in VO/0878/24 zum Abschnitt Bartholomäusstraße zwischen Seifenstraße und Lentzestraße ausgeführt: „Die Kriterien der VwV-StVO und der ERA 2010 sind nicht erfüllt. Die für den
Linienbusverkehr notwendige Restfahrbahnbreite von 3,50m ist nicht gegeben.“ Das gleiche gilt für die Germanenstraße (Punkt 4).

Einbahnstraßenöffnung für den gegenläufigen Radverkehr – Oberbarmen, VO/0878/24;
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=32114

Fazit: In der zuständigen Straßenverkehrsbehörde (Amt 104) ist die Kenntnis vorhanden, daß eine Einbahnstraße mit einer Fahrgassenbreite von unter 3,50 m nicht in Gegenrichtung für Radverkehr freigegeben werden darf. Die Einbahn Friedrichstraße südlich der Karlstraße wurde trotzdem freigegeben.

[2] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/11811/5916229
POL-W: W Verletzter Radfahrer in Wichlinghausen
25.11.2024 – 12:02, Polizei Wuppertal
„Ein 30-jähriger Radfahrer fuhr mit seinem Fahrrad auf der Bartholomäusstraße, entgegen der Einbahnstraße, in Richtung Tal. Zeitgleich fuhr ein 51-jähriger mit einem einem Skoda Yeti die
Huttenstraße entlang um in die Bartholomäusstraße einzufahren. Dabei kam es zum Zusammenstoß zwischen dem Zweiradfahrer und dem Auto.

Der Radfahrer stürzte zu Boden und verletzte sich. Das Fahrrad des Mannes kollidierte anschließend mit einem geparkten VW Polo.

Der Rettungsdienst brachte den 30-Jährigen in ein Krankenhaus.

Das Fahrrad stellten die Polizisten zur Eigentumssicherung sicher. (an)“

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Foto F: Warten, bis der Radfahrer auf dem Aufstellstreifen verschwindet? Welcher Radfahrer?

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