WSW gewinnen Immobilitätspreis 2024

Dank des undifferenzierten Ausschlusses von Elektrokleinstfahrzeugen (E-Scooter) in WSW-Bussen und Schwebebahnen bleiben Scooterfahrer leider außen vor.

Logo »Wir müssen leider draußen bleiben« mit E-Scooter.
Statt „Wuppen wir’s“ heißt es für E-Scooter in Wuppertals Bussen und der Schwebebahn: Wir müssen leider draußen bleiben.

Die Wuppertaler Stadtwerke verbieten seit dem 18. März 24 die Mitnahme von Elektrokleinstfahrzeugen (E-Scooter) in den Bussen und der Schwebebahn. Die Brandgefahr sei „deutlich höher als bei anderen E-Fahrzeugen“ wegen der „derzeit noch niedrigen Sicherheitsstandards.“ [1]

Das Verbot basiert auf einer Empfehlung des Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. [2] Der VDV bezieht sich auf zwei Gutachten, wovon eines auf der Seite bei „Frag den Staat“ zur Verfügung steht. [3]

Gutachten listet 15 Brandfälle, aber keine davon mit E-Scooter

Die für Deutschland aufgelisteten Fälle 1 bis 15 – entsprechend den Fußnoten 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25 [4], 26, 27, 28, 29, 30, 31 und 78 – beziehen sich alle auf „Pedelecs“, „E-Bikes“ und einen Elektromotorroller (Fall 15). [5] Häufigste Ursache: Feuer durch Anomalie beim Laden. [13] – Vorfälle mit E-Scootern? Nichts. Nada. Trotzdem bewertet das Gutachten ausschließlich die „Mitnahme von elektrischen Kleinstfahrzeugen in U-Bahn-Fahrzeugen“.

Für England schreiben die Gutachter selbst, daß E-Scooter (“personal transporters”) grundsätzlich verboten sind und es daher „keine Vorschriften hinsichtlich Bauart und Sicherheit“ gibt (Seite 18). Daher ist der Vergleich von legalen Pedelecs „mit hohem Sicherheitsstandards“ und illegalen E-Scootern völlig sinnfrei.[6]

Ausland: teilweise gar keine verpflichtenden Sicherheitsstandards

In Spanien gab es zum Zeitpunkt des Brandes in der Barcelonaer U-Bahn für E-Scooter lediglich ein Tempolimit von 25 km/h und Helmpflicht. Erst Anfang 24 sind weitere Bestimmungen inkraftgetreten, die auch eine Herstellerbescheinigung entsprechend der deutschen Betriebserlaubnis (ABE) beinhalten. Wie in England bestanden bis Ende 23 in Spanien keine den deutschen vergleichbaren Sicherheitsbestimmungen. [7]

Um das Bild zu komplettieren: Erst an Neujahr 24 brannte ein E-Bike-Akku in der Torontoer U-Bahn (TTC) und richtete erheblichen Sachschaden an. [8] Der regionale Eisenbahnbetreiber hat ab 9. April 24 E-Bikes mit Akkus ohne CE- oder UL-Kennzeichnung vom Transport ausgeschlossen, [9] was zielgerichteter erscheint als ein generelles Verbot.

TÜV: Akkus von E-Scooter erfüllen die gleichen elektrischen Anforderungen wie Pedelecs

Im Gegensatz zu den Billigimporten, die in Ländern wie England, den Vereinigten Staaten und Kanada verfügbar sind und teilweise nicht mal ein CE-Zeichen enthalten, sind Fahrzeugakkus der E-Scooter in Deutschland von der Allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE) umfaßt. Dafür müssen Akkus von E-Scootern grundsätzlich die gleichen elektrischen Anforderungen erfüllen wie Pedelecs. [12]

Die angeblich so niedrigen Sicherheitsstandards gegenüber Pedelecakkus entpuppen sich als Treppenwitz, da die auch für Pedelecs geltende DIN EN 15194:2017 nicht einmal die „grundlegenden Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen“ der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG erfüllt. [10] Die Ausgabe DIN EN 15194:2018 wurde übrigens zurückgezogen. [11]

Fazit: Die meisten Brände mit Lithium-Akkus ereignen sich während des Ladevorgangs. Laden ist in den Fahrzeugen des ÖPNV ohnehin untersagt. Es ist schon ziemlich dreist, 15 Brände in Deutschland ohne E-Scooter-Beteiligung zu dokumentieren und dies dann für ein ausschließliches Verbot für E-Scooter heranzuziehen. Den WSW, die sich diesem Verbot undifferenziert anschließen, gebührt daher der „Immobilitätspreis 2024“ für die dümmste Ausrede von der gesetzlichen Beförderungspflicht.

Hinweise, Quellen und Verweise
[1] WSW-Pressemitteilung vom 8. März 24: „WSW verbieten E-Tretroller in ihren Bussen und der Schwebebahn“,
https://www.wsw-online.de/ueber-uns/presse/pressemitteilungen/pressemeldung/meldung/wsw-verbieten-e-tretroller-in-ihren-bussen-und-der-schwebebahn/

[2] VDV-Pressemitteilung vom 29. Februar 2024, „Brand- und Explosionsrisiko bei Akkus von E-Tretrollern“
https://www.vdv.de/240229-pm-brandrisiko-bei-akkus-in-e-tretrollern.pdfx

[3] HAMBURGER HOCHBAHN – Mitnahme von elektrischen Kleinstfahrzeugen in U-Bahn-Fahrzeugen. 2. August 2023. Auftrag der Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, 40237 Düsseldorf an die STUVAtec Studiengesellschaft für Tunnel und Verkehrsanlagen mbH, 50827 Köln.
https://media.frag-den-staat.de/files/foi/901703/anlage-1-gutachten-stuvatec-e-scooter.pdf

[4] Aus: Unterschätzte Brandgefahr, Rheinische Post; Zitat: „Ein explodierender E-Bike-Akku setzte im November 2020 die Wohnung … in Brand“,
https://rp-online.de/-61832299

[5] »Elektroroller setzt Lokal in Brand! Feuer in Hamburger Kultkneipe „Eichen Eck“«, Zitat: „Ein Elektromotorroller geriet aus bisher ungeklärter Ursache in Brand.“,
https://www.24hamburg.de/hamburg/elektroroller-setzt-lokal-in-brand-feuer-in-hamburger-kultkneipe-eichen-eck-91135692.html

[6] Guidance: Powered transporters
https://www.gov.uk/government/publications/powered-transporters/information-sheet-guidance-on-powered-transporters
TfL desperate to stop illegal e-scooters on London’s roads as it slams Halfords‘ ‚tiny warning stickers‘
https://www.mylondon.news/news/tfl-desperate-stop-illegal-e-26536510

[7] Spanische Wikipedia: Patinete eléctrico, Clasificación legal, España,
https://es.wikipedia.org/w/index.php?title=Patinete_el%C3%A9ctrico#Clasificaci%C3%B3n_legal

[8] WARMINGTON: What looked like a bomb blast on TTC subway was actually an e-bike battery,
https://torontosun.com/news/local-news/warmington-what-looked-like-a-bomb-blast-on-ttc-subway-was-actually-an-e-bike-battery

[9] https://www.gotransit.com/en/your-commute-to-go/biking-and-go-transit
https://www.gotransit.com/en/your-commute-to-go/biking-and-go-transit

[10] Official Journal of the European Union, 10 January 2023. COMMISSION IMPLEMENTING DECISION (EU) 2023/69 of 9 January 2023 amending Implementing Decision (EU) 2019/436 as regards the harmonised standard for electrically power assisted cycles.
Link: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32023D0069

Zitat Absatz 8 übersetzt: „Nach Prüfung der harmonisierten Norm EN 15194:2017 zusammen mit den Vertretern des Ausschusses gemäß Artikel 22 der Richtlinie 2006/42/EG sowie den Vertretern des Ausschusses gemäß Artikel 22 der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012, kam die Kommission zu dem Schluss, daß die Norm [EN 15194-2017] nicht den einmal die grundlegenden Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen erfüllt, die in den Punkten 1.5.5, 1.5.6, 1.5.7, 1.5.9 und 3.6.3.1 des Anhangs I der Richtlinie 2006/42/EG festgelegt sind.“ Konkret werden da Erschütterungen genannt, die bei schlechten Wegstrecken auftreten können.

[11] DIN EN 15194:2018-11 – zurückgezogen
https://www.dinmedia.de/de/norm/din-en-15194/291125942

[12] TÜV-Pressemitteilung vom 29. April 2024, „TÜV-Verband attestiert zugelassenen E-Scootern hohes Sicherheits- und Brandschutzniveau“,
Zotat: „Elektrokleinstfahrzeuge müssen so beschaffen sein, dass ihre Batterien den Sicherheitsanforderungen des Kapitels 4.2.3 der DIN EN 15194:2018-11 entsprechen.“
https://www.tuev-verband.de/pressemitteilungen/tuev-verband-attestiert-zugelassenen-e-scootern-hohes-sicherheits-und-brandschutzniveau

[13] E-Bike Akkubrand – DEKRA, Demonstration bei der Feuerwehr Marsberg, Youtube;

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