WSW: Willkürlicher Scooterausschluss Wuppertal

Warum Probleme einer Akku-Bauart nichts mit der Fahrzeugart zu tun hat.

Hinweis: E-Scooter, E-Tretroller, Elektrokleinstfahrzeuge nach eKFV definiert „mit Haltestange“, „ohne Sitz“ und bis 500 Watt Dauerleistung werden nachfolgend mit eKF bezeichnet.

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Die Stadtwerke verkünden freudig in ihrer Pressemitteilung vom 8. März das neue Mitnahmeverbot von eKF in Bussen und Schwebebahnen ab dem 18. März. Angeblich gehe von eKF eine „deutlich höhere Brandgefahr als bei anderen E-Fahrzeugen“ aus wegen „ihrer Bauweise und den derzeit noch niedrigen Sicherheitsstandards.“ Gleichzeitig sind Pedelecs und Elektrorollstühle vom Mitnahmeverbot selbstverfreilich ausgenommen.

Grundsätzliches über Lithium-Ionen-Akkus

Lithium-Ionen-Akkus (LiIon) für eKF, Pedelecs und neuere Elektromobile/-rollstühle verwenden fast durchgehend Module aus reihen- und parallelgeschalteten Standardzellen (meist 18650 oder 21700), um genormte Spannungen von 24, 36 oder 48 Volt und eine Kapazität von etwa 500 bis 1000 Wattstunden zu erreichen. Kommt es in einer Batteriezelle durch mechanische Beschädigung oder Überladung zu einem Kurzschluss, geht die Zelle unter Ausgasung giftiger und brennbarer Gase thermisch durch [1] und brennt oder explodiert binnen kürzester Zeit. Benachbarte Zellen gehen dann ebenfalls thermisch durch, so dass es zu einem minutenlangen Feuerwerk kommen kann [2].

Fakt 1: Brandursache ist häufig eine Anomalie während des Ladens

Mit der Brandentstehung beschäftigt sich auch das Hamburger Gutachten [3] mit weiteren Nachweisen. Als Brandursache werden oftmals Anomalien während des Ladevorgangs aufgeführt (Kapitel 4.2, dortige Quelle 43). In Deutschland sind bisher keine Brände durch LiIon-Antriebsakkus in eKF und Pedelecs im ÖPNV bekannt (Kapitel 4.2.). Dort ist im übrigen das Laden der Antriebsakkus ohnehin verboten, vgl. Beförderungsbedingungen des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), Kapitel 1.9.5 lit. 4 [4]. Es ist davon auszugehen, dass dieses Verbot für eKF und Pedelecs analog gilt.

Fakt 2: „Gefährliche“ LiIon-Akkus gibt es auch in Pedelecs

Das Gutachten beschäftigt sich in Kapitel 4.4 mit einigen Normen, die teilweise nur für Pedelecs gelten oder nur für eKF. Inwieweit die Sicherheit von Akkus in eKF trotz ergänzender Prüfungen für deren Einzel- oder ABE-Zulassung [5] mit meist fest eingebautem Akku tatsächlich „niedriger“ ist als bei Pedelecs, sagt das Gutachten nicht. Vielmehr erwähnt es in Kapitel 10 (lit 8) lediglich, dass die „Datengrundlage für eine seriöse Ermittlung oder zahlenmäßige Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Brandereignisses in einem Fahrzeug noch nicht ausreichend“ ist.

Von den in Kapitel 4.5.2 gelisteten 15 Bränden mit Antriebsakkus in Deutschland betreffen sämtliche Fälle entweder Pedelecs, schnelle E-Bikes oder Elektroroller („Moped“ bis 25 oder 45 km/h, Fall 11: Ursache Überladung oder Tiefentladung, Fall 15 „Eichen Eck“). Die Liste lässt sich mit Fall [16], [17] und [18] beliebig fortsetzen. Nur: eKF waren in null der 18 Fälle beteiligt.

Fakt 3: Auch bei hochgelobten Feststoffakkus gibt es Brände

In Elektrobussen sollen Lithium-Feststoffakkus für eine bessere mechanische und elektrische Robustheit sorgen. Doch das Risiko beim Laden bleibt: Im Februar 21 hatte bereits ein Daimler e-Citaro in der Mannheimer Produktionsstätte gebrannt. Daimler rief danach 30 E-Busse zurück [6]. Alleine 2021 brannten drei Busdepots mit Elektrobussen in Düsseldorf (1.04.), Hannover (5.06.) und Stuttgart (30.09.). Ursache für letzteren Brand mit 25 zerstörten Bussen war ein Ladevorgang [7]. In Düsseldorf konnte aufgrund des enormen Zerstörungsgrades nur noch ein „technischer Defekt“ als Ursache festgestellt werden [8]. Allerdings wurden acht Elektrobusse über Nacht in der Halle aufgeladen. [9] Trotz der enormen Schäden sorgt man für einen besseren Brandschutz [10] beispielsweise durch Brandmauern und verbietet Elektrobusse nicht gleich komplett.

Fakt 4: Im Ausland gibt es teilweise gar keinen verpflichtenden Sicherheitsstandards

Referenzen im Hamburger Gutachten zu Fällen im Ausland sind genauso wenig hilfreich, da es zum Beispiel in den USA zwar Standards für Akkus (UL 2271) und E-Bikes (UL 2849) gibt, diese aber für die Inbetriebnahme nicht verpflichtend sind. In Großbritannien sind eKF auf öffentlichen Straßen grundsätzlich verboten und daher Sicherheitsstandard ebenso wenig verbreitet. Entsprechend hoch ist das Brandrisiko von eKF und E-Bikes in diesen Ländern.

Fakt 5: Untersuchungsgegenstand ausschließlich eKF

Das Gutachten listet munter eine „Brandverlaufskurve Pedelec“ (Kapitel 4.8.3) und Verweise zu Pedelec- und eKF-Akkubränden im Ausland auf. Folgert dann dann verkürzend auf eKF, dass für die Mitnahme eben jener in Hamburger U-Bahnen keine Empfehlung ausgesprochen werden kann.

Zusammengeklappte eKF und Pedelecs sind Gepäck sind Gepäck…

Die Brandgefahr beim Laden existiert in Bus und Bahn nicht. Die Beförderungsbedingungen [4] definieren zusammengeklappte Fahrzeuge als „Gepäck“. Dieses wird ausschließlich nach den dort genannten Bedingungen transportiert (nicht zu sperrig, keine Gefahr durch Verrutschen, Vorrang für Rollstühle, Rollatoren, Kinderwagen) und lassen keine Extrawürste durch die einzelnen Verkehrsunternehmen zu.

Daher ist der ausschließliche Ausschluss von eKF bei gleichzeitiger Ausnahme für Pedelecs in den Bussen und Schwebebahnen der WSW Quatsch mit Soße. Die Extrawurst der Stadtwerke konterkariert auch die Bemühungen zum Beispiel des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen VDV nach einer bundesweit einheitlichen Lösung. Last not least werden eKF von den WSW zwar ge-fördert, aber nicht be-fördert [11].

Links

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Thermisches_Durchgehen#Lithium-Ionen-Akkumulatoren

[2] E-Bike Akkubrand – DEKRA, Demonstration bei der Feuerwehr Marsberg, Youtube;
https://www.youtube.com/?v=ZVTiSyrOT90

[3] „Mitnahme von elektrischen Kleinstfahrzeugen in U-Bahn-Fahrzeugen“, brandschutztechnische Bewertung [von Fahrzeugen mit Lithium-Ionen-Akkus],
https://fragdenstaat.de/dokumente/239638

[4] Verkehrsverbund Rhein-Ruhr Handbuch Tarif und Vertrieb, Punkt 1.9.5 Elektromobile
https://www.vrr.de/fileadmin/user_upload/pdf/service/downloads/tarifhandbuch/VRR-Handbuch_T_u_V_HP.pdf

[5] zum Beispiel ECE-R136 (mechanischer Falltest für abnehmbare Batterien), ECE-R85 (Messung der 30-Minuten-Leistung), DIN EN 15194:2018-11 (Brandschutz auch bei mechanischer Beschädigung und Kurzschluss)

[6] Busdepot-Brand in Stuttgart: E-Bus-Modell von Daimler fiel zuvor wegen gefährlichem Akkufehler auf, bw24,
https://www.bw24.de/stuttgart/daimler-ag-stuttgart-busdepot-brand-mercedes-e-bus-citaro-produktion-fehler-akku-mannheim-91061567.html

[7] Ladevorgang von Elektrobus Ursache bei SSB-Brand, OmnibusRevue,
https://www.omnibusrevue.de/nachrichten/technik/update-ladevorgang-von-elektrobus-ursache-bei-ssb-brand-2943676

[8] Düsseldorf-Heerdt: Technische Ursache führte zum Brand in Busdepot, Ddorf-aktuell,
www.ddorf-aktuell.de/2021/07/30/duesseldorf-heerdt-technische-ursache-fuehrte-zum-brand-im-busdepot/

[9] Elektro-Busse lösen bundesweit schwere Brände aus, DeutscheWirtschaftsNachrichten,
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/515399/elektro-busse-loesen-bundesweit-schwere-braende-aus

[10] Brandschutz für E-Bus-Depots, SchadenPrisma,
www.schadenprisma.de/archiv/artikel/brandschutz-fur-e-bus-depots/

[11] WSW Klimafonds fördert Elektro-Tretroller, Pressemitteilung,
https://www.wsw-online.de/ueber-uns/presse/pressemitteilungen/pressemeldung/meldung/wsw-klimafonds-foerdert-elektro-tretroller/
https://www.wuppertaler-rundschau.de/-39470977

[16] E-Bike-Akkusatz explodiert, E-Bike fängt vor Hauseingang Feuer,
https://www.24hamburg.de/stories/akku-brand-bike-explodiert-in-siedlung-splitter-fliegen-meterweit-szrn-91340727.html

[17] Pedelecakku brennt auf offener Straße,
youtube.com/watch?v=WWX7Oxa9c1g

[18] Pedelecakku brennt auf offener Straße,
youtube.com/watch?v=ryNYMKL8_4U

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Kommentare

  1. Susanne Zweig sagt:

    Die Gefahr für Fahrgäste existiert nicht in der Realität, sondern auf dem Papier!

    Wenn ich das Hamburger Hochbahn-Gutachten richtig lese, gibt es unterschiedliche Akku-Sicherheitsstandards für E-Bikes und E-Scooter. Die für E-Scooter sind laxer. Sie sollen demnächst verschärft werden. Die entsprechende Sicherheitsnorm (DIN EN IEC 63281-1) tritt aber voraussichtlich erst im Mai 2024 in Kraft.

    Entweder wissen die WSW (oder der VDV) schon, was drinsteht und auch, dass gebräuchliche E-Scooter sie nicht mehr einhalten werden. Dann haben sie diese Information bisher gut geheim gehalten.

    Oder sie wissen noch nicht, was drinsteht, und verbieten die E-Scooter-Mitnahme vorsorglich.

    Das wäre dann so, als ob ganz Wuppertal vorsorglich evakuiert wird, weil eine Anpassung der kommunalen Bauvorschriften bevorsteht.

    1. N. Bernhardt sagt:

      So ungefähr. Weiterer Aspekt: Das Gutachten braucht sich nicht mit verschiedenen Normen zu beschäftigen, wenn es nicht darlegen kann oder will, ob diese Vorgaben für die Betriebssicherheit der Antriebsakkus und der Fahrzeuge des ÖPNV überhaupt von Bedeutung sind. Wie in der Zusammenfassung des Gutachtens erwähnt, ist die Datengrundlage für eine diesbezügliche Bewertung gar nicht vorhanden.

      Diese Grundlage ist für eine erst in Zukunft geltende Norm erst recht nicht vorhanden. Insofern ist das Hantieren mit den Normen eine Nebelkerze. Erst recht wird die Schlussfolgerung der WSW bzw des VDV, wegen abstrakt „niedriger Sicherheitsbestimmungen“ nur die E-Scooter (eKF) zu verbieten, nicht von Fakten untermauert. Hauptbrandursache bleibt der Ladevorgang.

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