12.07.2016Gedenkbuch Wuppertal
Wuppertal dankt Amsterdam!
Unter diesem Titel fand am 23. April im Verzetsmuseum (Widerstandsmuseum) in Amsterdam ein denkwürdiges Symposium statt. Organisiert und eingeladen hatten der „Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal“ und das “Center for International Studies in Social Policy and Social Services” der Universität Wuppertal (Dr. Stephan Stracke und Prof. Dr. Heinz Sünker).
Das Centraal Wuppertal Comité (CWC – Zentrales Wuppertal Komitee) wurde offiziell im Januar 1936 in Amsterdam im Zeichen von „Einheitsfront und Volksfront gegen Krieg und Faschismus“ gegründet. Die Anregung der Internationalen Roten Hilfe über die Niederländische Kommunistische Partei und die Exilorganisation der KPD, die einzelnen Solidaritätskomitees überparteilich zu bündeln, war auf überzeugte Gegner des Nationalsozialismus im (linken) bürgerlichen, pazifistisch und feministisch orientierten, in Einzelfällen auch im christlichen und sozialdemokratischen Lager der Niederlande gestoßen.Von deutschen Flüchtlingen engagierten sich u.a. die Sozialdemokraten Erich Kuttner und Franz Vogt, die Kommunisten Wilhelm Knöchel, Werner Kowalski und Friedrich Rüddenklau sowie Theo Hespers von der Bündischen Jugend / Zeitschrift „Kameradschaft“ – sie wurden tödliche Opfer des NS neben sieben niederländischen Aktivisten – diese alle auch jüdischer Herkunft –, darunter die Vorsitzende Selma Meyer, Sozialdemokratin, Pazifistin, Feministin mit internationalem Netzwerk.
Ziel des CWC bei Gründung war es, international moralische und finanzielle Unterstützung einzuwerben für die Männer und Frauen, die seit Anfang 1935 im Wuppertaler Industriegebiet verhaftet worden waren, und für deren Familien. Bis Ende 1936 betrug die Zahl der Verhafteten mehr als 1900. Gegen rund 800 von ihnen – mindestens 17 waren bereits bei den Verhören der Gestapo ums Leben gekommen – wurden Gerichtsverfahren wegen „Hochverrat“ angestrengt, in den meisten Fällen wegen des Versuchs, innerhalb der Deutschen Arbeitsfront (DAF) Zellen des im Mai 1933 verbotenen Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) wieder aufzubauen.Die meisten vor dem Volksgerichtshof geführten „Gewerkschaftsprozesse“ – so der in die Historiographie eingegangene Terminus – endeten mit mehrjährigen Gefängnis- und Zuchthausstrafen, in nicht wenigen Fällen folgte anschließend die Überführung in ein KZ. Das CWC breitete im Frühjahr 1936 seine überparteilichen Aktivitäten bis nach Hamburg aus. Es arbeitete mit Studenten-, Gewerkschafts- und juristischen Organisationen im In- und Ausland zusammen; mit Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes unterstützte es u.a. Carl von Ossietzky im KZ Esterwegen; die publizistischen Kampagnen erreichten selbst US-amerikanische Medien.Mit 106 Symposium-TeilnehmerInnen, darunter insgesamt 20 ehemalige WiderständlerInnen, Nachfahren und weitere Verwandte von niederländischen und in die Niederlande geflüchteten deutschen Akteuren des CWC war am 23. April der Saal des Verzetsmuseums bis etwas über die Grenze der von der Feuerwehr erlaubten Kapazität gefüllt.
Eine ansehnliche Delegation war per Bus aus Wuppertal angereist, um mit allen Anwesenden des CWC, seiner Promotoren und der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Stephan Stracke führte in Erforschung und Geschichte des CWC ein; ihm folgte Heinz Sünker. Ursula Langkau-Alex, die das Internationale Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam vertrat und ein paar Dokumente aus dessen „Collectie Centraal Comié Wuppertal“ an den Saalwänden zur Schau stellte, umriss den politischen Rahmen des Comités.Vor dem Hintergrund der Erfahrungen in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern mahnten zu Wachsamkeit gegen Populismus und Radikalismus, zu Solidarität mit den Flüchtlingen und allen Opfern von Gewalt, Rassismus, politischer Verfolgung und Katastrophen: Sabine Graf, Vizevorsitzende des DGB in NRW; Josef Neumann, SPD-Landtagsabgeordneter in NRW und Mitglied des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates; Gerd-Peter Zielezinski, Stadtverordneter für die Linkspartei in Wuppertal; Jochen Vogler, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA). Katja B. Zaich dolmetschte die Beiträge.Beherrscht emotional wurde es gegen Ende: die 92jährige Mirjam Ohringer – sie verstarb 5 Wochen später – skizzierte in fließendem Deutsch die allgemeinen und die persönlich erlebten Implikationen des Widerstands. Peter Alma, geboren 1941, und seine ein Jahr jüngere Schwester Sinja erinnerten, ebenfalls in deutscher Sprache, Erzählungen über ihre Kleinkindheit von Verwandten und von ihrer Mutter Aleida (Lie) Alma-Heijnen, die 1943/44 unter der deutschen Besatzung eine Haftstrafe wegen ihrer Öffentlichkeitsarbeit für das CWC verbüßen musste: „Meine Mutter hat mich von ihrer Gefängniszelle aus zum ersten Mal laufen sehen“ (Sinja Alma).
Eine ansehnliche Delegation war per Bus aus Wuppertal angereist, um mit allen Anwesenden des CWC, seiner Promotoren und der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Stephan Stracke führte in Erforschung und Geschichte des CWC ein; ihm folgte Heinz Sünker. Ursula Langkau-Alex, die das Internationale Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam vertrat und ein paar Dokumente aus dessen „Collectie Centraal Comié Wuppertal“ an den Saalwänden zur Schau stellte, umriss den politischen Rahmen des Comités.Vor dem Hintergrund der Erfahrungen in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern mahnten zu Wachsamkeit gegen Populismus und Radikalismus, zu Solidarität mit den Flüchtlingen und allen Opfern von Gewalt, Rassismus, politischer Verfolgung und Katastrophen: Sabine Graf, Vizevorsitzende des DGB in NRW; Josef Neumann, SPD-Landtagsabgeordneter in NRW und Mitglied des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates; Gerd-Peter Zielezinski, Stadtverordneter für die Linkspartei in Wuppertal; Jochen Vogler, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA). Katja B. Zaich dolmetschte die Beiträge.Beherrscht emotional wurde es gegen Ende: die 92jährige Mirjam Ohringer – sie verstarb 5 Wochen später – skizzierte in fließendem Deutsch die allgemeinen und die persönlich erlebten Implikationen des Widerstands. Peter Alma, geboren 1941, und seine ein Jahr jüngere Schwester Sinja erinnerten, ebenfalls in deutscher Sprache, Erzählungen über ihre Kleinkindheit von Verwandten und von ihrer Mutter Aleida (Lie) Alma-Heijnen, die 1943/44 unter der deutschen Besatzung eine Haftstrafe wegen ihrer Öffentlichkeitsarbeit für das CWC verbüßen musste: „Meine Mutter hat mich von ihrer Gefängniszelle aus zum ersten Mal laufen sehen“ (Sinja Alma).
Die im selben Jahr wie Mirjam Ohringer geborene Ans Samama-Polak gedachte ihres Vaters Leo Polak, Professor für Philosophie und Strafrecht an der Universität Groningen: Er kam im Dezember 1941 im KZ Sachsenhausen um. Von dem psychischen Druck, Tochter eines Vaters zu sein, der das Schicksal seines Vaters nicht verwinden kann, sprach Nora Hespers, Enkelin von Theo Hespers, im Beisein ihres Vaters, Dirk Hespers. Dessen zur Gitarre gesungenen Lieder waren ein versöhnender Abschluss.
Mirjam Ohringer (Jochen Vogler, r-mediabase.eu)
Ans Samama-Polak (Jochen Vogler, r-mediabase.eu)
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