Wuppertal und die friedhofsfördernde Fahrradstadt

Und wenn das fünfte Lichtlein brennt, habt ihr die Ziele der Verkehrswende verpennt.

Symbolbild

Möglichst viele Schikanen, Gefahrenlagen und Wiedereinfädelungen in den fließenden Verkehr, möglichst oft vorprogrammierte Konflikte mit Fußgängern und Autofahrern, Ampelschaltungen ohne die vorgeschriebene Räumphase – das ist Wuppertal als „Fahrradstadt“ im Jahr 2025.

Am Ortseingang der B 228 (Vohwinkeler Straße) rangt ein Schild (Foto) mit „AGFS“ und „Fußgänger- und fahrradfreundlicher Stadt“. AGFS könnten wir angesichts der Zustände an vielen der neuen „Radverkehrsanlagen“ und -führungen in Wuppertal auch mit „Arbeitsgemeinschaft friedhofsfördernder Stätten übersetzen“, und zeigen nachfolgend konkrete Beispiele dafür auf:

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Foto A: Dank des Wusts an Sonder- und Parkregelungen für den Kfz-Verkehr reicht natürlich ein Schild „Fahrradstraße“ und „Vorfahrt achten“ nicht aus. Leider passiert es dabei, daß das wichtige „Vorfahrt achten“ rein zufällig übersehen wird: in der Friedrichschulstraße tiefhängend hinter parkenden Autos oder einem Baugerüst (A1, von Westen), entgegen den Richtlinien zehn oder zwanzig Meter vor der Kreuzung (A2, von Osten: Schilder haben da zu stehen, wo sie gelten sollen), oder hinter dem Schilderwust der Fahrradstraße (A3, Albrechtstraße von Westen).

Beginnen wir unsere virtuelle Fahrt am Bahnhof Mirke auf der „offiziellen Radroute“ zum Hauptbahnhof. Bereits in der sogenannten „Fahrradstraße“ (Neue) Friedrichstraße stoßen wir auf eine umetikettierte Tempo-30-Zone: Der Kfz-Verkehr ist unbeschränkt per Zusatzzeichen zugelassen. Theoretisch hat der Verkehr auf der „Fahrradstraße“ Vorfahrt, allerdings ist das von der wartepflichtigen Seite nicht immer ersichtlich (Foto) und es hat bisher „nur“ zwei Radfahrer erwischt. Nur auf der Wiesenstraße haben Radfahrer plötzlich zu STOPpen; ein entsprechender Beschluß der BV Elberfeld zur Änderung der Vorfahrt wird von der Verwaltung schlicht nicht umgesetzt. Ätschi-Bätsch, dann klagt doch.

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Foto B: Marterstrecke rund um die Kirche

Die Pflastersteine im Bereich der Kirche sind mit großen Fugen unsachgemäß verlegt und im Bereich der Kurven verschoben. Eine normale Bauüberwachung hätte dem Auftragnehmer Dampf gemacht und eine Nachbesserung gefordert. Wuppertal läßt stattdessen lieber seine Radfahrer über die Marterstrecke holpern. Hinzu kommt dort noch eine unklare Vorfahrtsregelung um die Kirche (Ludwigstraße von Osten: rechts-vor-links, nicht erkennbarer „Bordstein“ von Westen = gilt nun rechts-vor-links oder § 10 (Ausfahrt)?)

Legal, illegal, Friedrichstraße

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Foto C: Für zwei Busse ist die Ampelschaltung während der Umleitung zu kurz? Dann verlängern wir sie doch einfach nach Landrecht (C1), behindern dabei nicht nur den Verkehr (C2), sondern gefährden auch noch Fuß- (X3) und Radverkehr (C4). Während der Sperrung Friedrichstraße war dieser Zustand im März/April 2021 eher Regel- als Ausnahmefall.

In der März 2021 zur „Reparatur“ gesperrten Friedrichstraße zwischen Neumarkt und Karlstraße wurden nicht nur die finanziellen Mittel dafür in den Sand gesetzt, sondern auch gleich die Pflastersteine. Anstelle auf einem tragfähigen Untergrund aus Asphalt oder Beton gebettet versinken die nämlich im Sand. Daher prangt nach nicht einmal vier Jahre ein Hinweis „Achtung: Fahrbahnschäden“ an der Einfahrt zur Friedrichstraße und kreiert für den Radverkehr weitere 200 Meter Marterstrecke.

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Foto D: Die Pflaster- und Marterstrecke Friedrichstraße zwischen Neumarkt und Karlstraße.

Daher ist es alleine schon aus diesem Grund besser für Radfahrer, den Gehweg zu benutzen. Denn obwohl der Verwaltung im konkreten Fall die Rechtswidrigkeit der „Freigabe der Einbahnstraße in Gegenrichtung für den Radverkehr“ bewußt ist, erfolgt diese später trotzdem. Während es in VO/1033/16 noch heißt: »Bei Linienbusverkehr oder starkem LKW-Verkehr muss die Fahrgassenbreite 3,50m betragen. … Da die Fahrgassenbreite der Friedrichstraße unter der erforderlichen Breite von 3,50m liegt…«, ist davon in VO/0336/20 überhaupt keine Rede mehr.

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Foto E: Der „Radweg“ von der Karlstraße südwärts verläuft direkt über die Fußgängerzone Karlsplatz, der hat so schön viel Fußgänger-Quer- und Längsverkehr, für den der „Radweg“ nicht erkennbar ist (E1). Daneben lösen sich die „Markierungsknöpfe“ in Wohlgefallen auf. Das aufgemalte Ghostbike (E2) am Rad(weg)ende signalisiert: hier kommen Radfahrer direkt unter die Räder. Für entgegenkommenden Verkehr sind Radfahrer eine unsichtbare Gestalt, und gehen die nicht freiwillig beiseite, gebraucht er auch Gewalt (E3). Wäre ja zu schön, mal auf den rosa Aufstellstreifen zu gelangen (E4), wo man idealerweise im Bereich der Schleppkurve steht, das heißt vom Busheck gefährdet/überfahren wird. Daher nutzt ein Großteil der Rad- und Scooterfahrer lieber gleich den Gehweg und fährt so den Fußgängern über den Sack und Fuß.

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Foto F: Das Ende einer illegalen Fußgängerzone.

Mit rechtswidrigen Anordnungen hat die Stadt Wuppertal auf der Friedrichstraße so ihre Erfahrung. Denn es dürfte einer „Fach“verwaltung schon von Anfang bekannt gewesen sein, daß die Ausweisung als Fußgängerzone illegal ist – denn der Charakter der Fußgängerzone wird nachhaltig gestört, wenn permanent störender Bus-, Taxen-, Liefer-, Anwohner-, Hotel-etc-Verkehr auch noch –angeblich– mit Tempo 25 die Fußgänger hupend beiseitescheucht. Das Kapitel Fußgängerzone war erst nach einer Klage und auf Druck der Landesregierung im Juni 2016 Geschichte.

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Foto G: Rammbock und Grätsche beim Abbiegen nach Landrecht. In der Straßenverkehrs-Ordnung steht in § 9 (3) StVO: Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen, Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit Hilfsmotor, Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren. … Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu warten.

Nur eins klappt damals (G2) wie heute (G3): Die Fußgänger beim Abbiegen gekonnt ignorieren, ihnen die Vorfahrt zu rauben, und wer bei Drei nicht beiseite ist, wird schon mal zum Schein überfahren (G1). Denn für manchen Zeitgenossen ist der Fahrplan wichtiger als die Straßenverkehrs-Ordnung. Dafür gab es bereits den Silbernen Pannenflicken 21/22 der Initiative Cycleride.

Der Wall: Rückschritt statt Rückbau

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Foto H: Mindestmaße wie Gehwegbreiten auch in Baustellenbereichen sind in Wuppertal drißegal. Hauptsache, der fließende Kraftverkehr kommt voran – und sei es auf nicht markierten Gehwegen, wie hier im August 2013.

Der Döppersbergumbau – als Lösung aller Verkehrsprobleme gestartet und als Shopping-Mall vollendet – hat auch am Wall seine Spuren hinterlassen. Zunächst mußten unbedingt die Gehwege auf beiden Seiten bluten, damit der Wall 2013 zur Busautobahn umgebaut werden kann. In der Folge müssen Fußgänger bluten (bisher mindestens 3 Unfälle) bei typischem Einkaufsverkehr ständig auf die Fahrbahn ausweichen. Genauso wie Busfahrer gerne Geh- und andere Wege mitbenutzen.

Daß man seit Eröffnung der Bundesallee 2016 nicht so recht wußte, was man möglichst billig aus dem Wall machen soll, zeigen die unzähligen Phantommarkierungen auf der Fahrbahn: wieder übertüchte Fahrbahnmarkierungen ehemaliger Anordnung von Busspuren, Taxenständen, Parkstreifen und nun ein Radweg als Multifunktionsseitenstreifen.

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Foto I: Dank des bei dem Umbau zur Busautobahn 2013 geklauten Gehweg müssen Fußgänger nun auf dem Radweg laufen, denn einst gehörte der Bereich bis zu den Gullis dem Gehweg und damit dem Fußvolk (I-1) Auch bis zum Queren der Fahrbahn muß der „Radweg“ als vermeintlich sicherer Warteraum herhalten. Der Bereich in Höhe des Ärztehauses (24 bis 28) stand vor dem Umbau als Taxenstand zur Verfügung – und wird auch jetzt entsprechend genutzt (I-2). Und natürlich dürfen Kraftfahrer insbesondere der blauen Omnibusse nach Landrecht Geh- und Radweg mitbenutzen (I-3) – letzterer ist ja nur aufgemalt –, denn Fußgänger und Radfahrer zu gefährden ist ja viel einfacher als einen Falschparker wegzujagen.

Nur eines gibt es auf dem Wall nicht: Eine sichere Möglichkeit, zu Fuß zu schlendern und die Straße zu queren, oder sicher mit dem Rad zu fahren. Lieber werden Unfälle riskiert, anstatt Fußgängern an den Einmündungen durch baulich vorgezogene Warteflächen das sichere Queren zu ermöglichen. Selbst zwischen mindestens drei verzeichneten Unfällen zwischen Fußgänger und Bus bzw. Rad wurde der Rückbau des Walls mit der vorgeschriebenen Gehwegbreite von 5 m auf Sankt Nimmerlein verschoben. Da der Radweg in der Regel durch alles andere außer Radverkehr bevölkert ist, soll letzterer als „Geisterfahrer“ zur gewohnten Einbahnstraßen wohl zur Gefährdung der Fußgänger beitragen – als ob die mit dem zahlreichen Verkehr durch den Wall in einer Richtung nicht schon genug beschäftigt wären.

Isländer Brücke: angeordnete Gefährdung

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Bild J: Abbiegen nach Landrecht auf der Isländer Brücke. Das Schild „Vorfahrt“ gilt in der Praxis nicht für Linksabbieger, die weit vor der eigentlichen Kreuzung abbiegen und dann natürlich den Gegenverkehr beachten müssen – sprich: alles, was von links kommend nach rechts auf die Brücke abgebogen ist.

Auf der Isländer Brücke erwartet Radfahrer zwei Schmankerl: Einmal dürfen sie auf einer Linksabbiegespur warten, die mitten in die Gegenfahrbahn gemalt wurde. Dann wird ihnen (auf der Achse Wall–Südstraße) zwar per Zeichen 301 Vorfahrt vermittelt, die Linksabbiegespur befindet sich aber vor der Einmündung von links. Als Sahnehäubchen wird selbstverfreilich auf jede Art baulicher Schutz verzichtet. Denn: das Überfahren der „Radverkehrsanlagen“ ist ja erlaubt, und weil keine Behinderungen auf den Fotos zu VO/1187/23 vorliegen, sieht man bei der Verwaltung auch keinen Handlungsbedarf.

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Bild K: Am Islandufer dürfen Radfahrer theoretisch links abbiegen. nur gehen sie dann das Risiko ein, überfahren zu werden (K1). Gerne werden dabei auch die aufgepinselten, sogenannten „Radverkehrsanlagen“ von Geisterkraftfahrern überfahren, aber das ist laut Verwaltung ja okay (K2, von Süden).

Natürlich wird kein Radfahrer beim Abbiegen behindert, sondern gefährdet, wenn pro Tag hundertfach Geisterkraftfahrer in blauen Panzern über den aufgepinselten „Radweg“ donnern, vgl. VO/1187/23, unabhängig davon, ob nun Radfahrer vorhanden sind oder nicht. Es wäre mit ein wenig Bewegung des Lenkrades möglich, auf der eigenen Fahrspur in den Wall einzufahren. Eine bauliche Nachhilfe ist da natürlich nie nicht angebracht.

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Bild L: Abbiegen nach Landrecht auch in Gegenrichtung auf der Schloßbleiche: Nach § 9 (3) StVO haben Fußgänger in der Blickrichtung Vorrang vor abbiegenden Fahrzeugen. Da man aufgrund der Brückenkonstruktion Kinder bis 1,20 m Körpergröße nicht sehen kann, müssen Fußgänger in der Regel nach Landrecht „Rücksicht“ auf diese Kraftfahrer nehmen und auf ihr Vorrecht verzichten.

Fortsetzung folgt. ⬛

Die Todesampel

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Alle Jahre wieder: Aufnahmen aus den Weihnachtsferien.

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Kommentare

  1. Susanne Zweig sagt:

    Das fahrradfreundliche AGFS-Schild in Vohwinkel steht passenderweise keine 100 Meter hinter einem Radweg-Ende. Und das ist schon die positive Nachricht. Denn der Radweg gegenüber hat gar kein Ende. Er hat auch keinen Anfang. Dazwischen ist er benutzungspflichtig. Eine verständliche Beschilderung wäre mal ein Projekt für 2040 oder so.
    Jetzt ist Wuppertal erstmal Fahrradstadt. So hat es der Rat 2013 für das Jahr 2025 beschlossen. Und das Jahr 2025 ist zweifellos eingetreten. Gibt es eigentlich noch Karten für den Festakt? Auf die Gratulationsreden der Bürgermeister von Münster und Kopenhagen bin ich ganz besonders gespannt…

    1. N. Bernhardt sagt:

      Genau. Hinzu kommen etliche andere repräsentative Ortseingänge wie die Schmiedestraße (Radführung um den Kreisel mit Bettelampeln) oder Jesinghauser Straße mit dem Schmutzstreifen und quasi-offizieller Erlaubnis für Kraftfahrer zum dichten Überholen. Die schmale Restfahrbahn und das Quasiradfahrbähnchen provozieren ja dazu.

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