16.11.2024N. Bernhardt
Zu Weihnachten: Finkestinger an alle Fußgänger mit Rollstuhl, Rollator, Kinderwagen & Co.
Alle Jahre wieder lauern sie kreuz und quer in der Fußgängerzone:
Die Kabelbrücken. – Die Stadt kümmert das nicht die Bohne.
Grundgesetz, Gleichbehandlungsgesetz, Barrierefreiheit?
Allet drißejal – es regiert die Borniertheit.
Fotocollage: Alle Jahre wider-⫽lichen sie uns an:⫽Die Kabel und -brücken⫽Fall! und Stolper! dann: Hindernisse durch selten dämlich aufgestellter Stromverteiler, lose Kabel und kreuz und quer verlegte Kabelbrücken, die selbstverfreilich nicht barrierefrei sind.
Barrierefrei geht „woanders“, nur nicht in Wuppertal.
Auch in diesem Jahr fallen alle Fußgänger rund um den Weihnachtsmarkt am Hauptbahnhof, Neumarkt, Herzogstraße und Laurentiusplatz wieder über die großzügig angebrachten Hindernisse und Stolperfallen aka Kabel, Schläuche und Kabelbrücken. In anderen Städten wie Kassel und Mainz geht das seltsamerweise – oder besser gesagt: selbstverständlich – auch barrierefrei.
Anbieter von Kabelbrücken bietet natürlich auch Ergänzungen wie Rollstuhlrampen an, mit denen diese Brücken auch für Rollstuhlfahrer und Rollatornutzer ohne große Barrieren zu bewältigen ist. In Mainz geht man einen Schritt weiter und verlegt Strom und Wasser direkt so, daß diese ohne Kabelbrücken für die Weihnachtsstände zugänglich sind (im Video ab 2‘40‘‘). In Wuppertal pflastert man erst mit vielen Millionen Euro die Fußgängerzone mit taktilen Elementen [1], um diese dann zur Weihnachtszeit wieder mit querverlegten Kabelbrücken unbenutzbar zu machen. Chapeau!
Sachliche Gründe oder gar ein Verbot von Rollstuhlrampen gibt es nicht
Sachliche Gründe für die Hindernisbereitung in der Fußgängerzone während des Weihnachtsmarktes gibt es nicht. Der Weihnachtsmarkt hat sich gefälligst den Belangen der Fußgänger und der Fußgängerzone unterzuordnen und nicht umgekehrt. Dafür gibt es zahlreiche gesetzliche Grundlagen, die die Passierbarkeit der Fußgängerzonen auch für Menschen mit Einschränkungen garantieren sollen. [2]
Da darf die Stadt Wuppertal auch gerne entsprechende Auflagen und Bedingungen in die Sondernutzungserlaubnis reinschreiben, um die Barrierefreiheit sicherzustellen. Zwar werden in den Ausschreibungen für die Weihnachtsmärkte penible Vorschriften über die prozentuale Anteil an Würstchenbuden gemacht, zum barrierefreien Zugang steht dort lediglich prophylaktisch: „Ein barrierefreier Zugang zu allen Angeboten ist gewährleistet.“ [3]
Wie dieser „barrierefreier Zugang“ auszusehen hat, sieht man ja in der Collage oben. Die Ausschreibung sieht noch nicht einmal konkrete eindeutige Regelungen oder Absprachen vor, wie der barrierefreie Zugang zu gewährleisten ist. Und: gilt das auch für den entsprechenden Zugang der aufgestellten Toiletten?
Das ganze erinnert an das anhaltende Abstellchaos bei den Leihscootern: Die Verleiher verstoßen regelmäßig mit abgestellten Leihscootern gegen Bedingungen und Auflagen der Sondernutzungserlaubnis (zum Beispiel auf dem Gehweg, der keine zwei Meter breit ist). Doch statt diese Auflagen durchzusetzen, indem den Verleihern der Entzug der Erlaubnis droht, hält die zuständige Behörde Maulaffen feil. Oder, wie es das Verwaltungsgericht Münster juristisch formuliert, „hat die [Behörde] ihr Ermessen nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt.“ [4]
Ähnlicher Fall Baustelle: Niemand würde Kabel und Schläuche quer über die B 7 legen
Wenn in einer Baustelle Kabel und Schläuche eine Hauptverkehrsstraße queren müssen, ordnet man selbstverfreilich eine Rohr-Schlauchüberführung nach DIN 14 821 („Kabelhochbrücke“ 4,0 bis 4,2 Meter über der Straße) an, oder benutzt für die Verlegung von Schläuchen das vorhandene Kanalnetz für eine unterirdische Verlegung. Die Stadt Wuppertal sieht die Überführungen als „nicht zielführend“ an [5], weil dann – angeblich – der Feuerwehr im Weg stünden. Man kann diese freilich auch außerhalb des eigentlichen Verkehrsraums aufbauen, wo sie niemanden behindern. Dies wäre immer noch besser als die Kabelrampen, die meist nur eine begrenzte Traglast (zum Beispiel 10 Tonnen) vertragen.
Hinweise, Quellen, Verweise:
Absatz „Kabelbrücke mit Rollstuhlrampe“
http://www.rsa-online.com/19/Kabelbruecken/Kabelbruecken.htm
Videos
Mainz: keine Kabelbrücken (2022), Youtube-Video bei 2 Minuten 40:
Weitere Maßnahmen:
– Essens- und Getränkeliste mit Brailleschrift,
– Klingel für Rollstuhlfahrer,
– barrierefreie Toiletten;
Kassel: Rollstuhlrampen an den Kabelbrücken ermöglichen das Passieren von Rollstuhlfahrern & Co.:
[1] Taktile Elemente: Bodenleitsystem. Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bodenleitsystem
Als Bodenleitsysteme oder Blindenleitsysteme (manchmal auch Leitliniensysteme genannt) werden allgemein Systeme bezeichnet, die es blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen ermöglichen, sich mit Hilfe eines Pendel- bzw. Blindenstocks selbständig im öffentlichen Raum, in Gebäuden und an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel sicherer und leichter zu bewegen. In der Regel handelt es sich um aus einzelnen Bodenindikatoren zusammengesetzte taktile (Boden-)leitsysteme, ein alternativer Ausdruck ist tastbare Bodenleitsysteme.
[2] Das Grundgesetz (GG), das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das
Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sowie das Übereinkommen der Vereinten
Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (BRK) bieten den
übergeordneten Rahmen, der Vorgaben macht, Diskriminierung verbietet und Instrumente
bereitstellt, um Barrierefreiheit herzustellen.
[3] VO/0863/24: Auswahlverfahren für die Veranstaltung der Weihnachtsmärkte in Wuppertal-Elberfeld und Wuppertal-Barmen für die Jahre 2025 – 2029.
VO/1319/24: Auswahl des Veranstalters für die Organisation und Durchführung der Weihnachtsmärkte in Wuppertal-Elberfeld und Wuppertal-Barmen für die Jahre 2025 – 2029,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=32593
[4] Verwaltungsgericht Münster, Beschluß vom 09.02.2022. – 8 L 785/21 –
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=8%2520L%2520785%2F21
[5] VO/1693/23: Haltverbot in der Fußgängerzone und Kabelbrücke
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=28547
Hinweis: In dieser Drucksache schreibt 104 auch, daß ein Haltverbot in der Fußgängerzone „nicht in Betracht“ komme, weil „es sich um einen Sonderweg und nicht um eine Fahrbahn im rechtlichen Sinne“ handele. Genau deshalb hat dieselbe Behörde in der Elberfelder Fußgängerzone wegen der „Baustelle“ dort überall Haltverbote angeordnet. – How moronic can it get?
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