Barmen erfindet sich neu

Nach der erfolgreichen Auftaktveranstaltung am 17. Februar lud Barmens Citymanagerin Anna Wittmer Geschäftsleute und Immobilieneigentümer am Donnerstagabend zum zweiten Mal zum Thema „Immobilienstandortgemeinschaft“ ein.
Aktualisierung: jetzt mit Präsentation von "Heinze & Partner"

Rund einhundert Gäste versammelten sich im Haus der Jugend. Mathias Wewer, Vorsitzender der Werbegemeinschaft IG Barmen, gab zu Anfang einen Überblick über die bisherigen Aktivitäten der Kaufleute. Die Erfolge bezeichnete er offenherzig als „ein bisschen dürftig“. Es sein „nie Geld da gewesen“ und es habe kein Wir-Gefühl gegeben. Wewer: „So kommen wir nicht weiter“.

Rund 100 Gäste kamen zur zweiten ISG-Veranstaltung.

Oliver Alberts, Kaufmann und Vermieter in Barmen: „Wir als Immobilieneigentümer sehen die Situation mit Kummer aber wir sehen nicht schwarz.“ Alberts weiter: „Ich war wie vom Donner gerührt nach dem Vortrag im Februar über die Erfolge der Immobilienstandortgemeinschaft (ISG) in Giessen und ich komme seitdem nicht zur Ruhe.“

Mieten in Elberfeld real gesunken

Mit dem Stadtentwickler Frank Heinze vom Dortmunder Büro „Heinze & Partner“ wurde in der Zwischenzeit intensiv am Projekt „ISG Barmen“ gearbeitet. Heinze führte aus, dass Standortabwertungen häufig in Spiralen ablaufen. Umsatzrückgänge führten zu niedrigeren Mieten, was wiederum einen Innovationsstau in den Immobilien und damit Wertverluste zur Folge hat. Bemessen an den Mietpreisen müsse man in Barmen eindeutig von einer Abwärtsspirale sprechen. Während die Mieten in Elberfeld über dem Niveau der Inflationsrate gestiegen sind, seien sie auf dem Werth nominal und real gesunken.

Die Immobilienwerte in Barmen im Vergleich zu Elberfeld

„Sie brauchen eine Idee“

Was eine ISG bewirken kann, machte Heinze mit beeindruckenden Vorher-Nachher-Ansichten aus Giessen deutlich. „Solche Standorte konnten die Spirale mit einer ISG nach oben drehen.“

Heinze erläuterte den Immobilieneigentümern, dass sie den Schlüssel für eine ISG in der Hand halten: „Sie entscheiden über die Richtung. Sie brauchen ein Programm, eine Idee, eine Vorstellung davon, was Ihnen hilft und was Sie mitfinanzieren wollen“. Dieses Programm bildet den Kern der ISG und soll bei den Hauseigentümern zur Abstimmung gestellt werden. Wenn dann nicht mehr als 25% widersprechen, greift das ISG-Gesetz und das Programm wird per Ratsbeschluss für alle verpflichtend. Die Kosten werden auf alle Anlieger umgelegt. „Die Summe sind dann gar nicht mehr so erschreckend“, machte Heinze den Barmern Mut.

Nach fünf Jahren läuft die ISG aus, kann aber auch verlängert werden. In Hamburg am Neuen Wall sei die Verlängerung ohne einen einzigen Widerspruch beschlossen worden, weil alle Hauseigentümer vom Erfolg der ISG überzeugt gewesen seien, erläuterte der Stadtentwickler.

„Das größte Risiko für uns ist, dass wir nicht handeln“

In einer anschließenden Talkrunde mit Rechtsanwalt Kjell Arne Zähler, Oliver Alberts, Anna Wittmer und Mathias Wewer wurden dann die Umrisse der ISG für die Barmer City skizziert. Wewer sieht die dringende Notwendigkeit, das Image Wuppertals zu verbessern. Für viele Ketten sei der Standort trotz guter Umsätze nur zweite Wahl. Ikea, Factory Outlet Remscheid und der Umbau des Döppersbergs seien große Gefahren für Barmen. Es gebe keine Alternative zur ISG: „Das größte Risiko für uns ist, dass wir nicht handeln.“

Rechtsanwalt Zähler wies auf die positiven Entwicklungen im Stadtteil hin, wie die Gestaltung des Umfelds des Barmer Bahnhofs oder die bevorstehende Beleuchtung der Schwebebahn. Dennoch gebe es großen Innovationsbedarf, um das „urbane Gesamtbild“ zu verbessern.

Das ISG-Gebiet umfasst den Werth einschließlich Johannes-Rau- und Geschwister-Scholl-Platz

Citymanagerin Anna Wittmer führte aus, dass die ISG sich konkret auf den Werth einschließlich Johannes-Rau-Platz und Geschwister-Scholl-Platz erstrecken soll. Rund fünfzig Immobilienbesitzer seien involviert. Sie sei zuversichtlich, dass sich ähnlich wie in Giessen weitere ISGs anschließen können, z.B. in den Bereichen Höhne und Schuchardtstraße.

„Wir brauchen ein einladendes Tor zur Stadt“

An Ideen mangelt es den Akteuren nicht. „Hell, freundlich, sicher und sauber“ soll der Werth werden, schlägt Kjell Arne Zähler vor. Für Oliver Alberts steht die Beleuchtung der Häuser und die Bepflanzung des Werths im Vordergund, um Atmosphäre und Aufenthaltsqualität zu steigern. Anna Wittmer fordert: „Wir brauchen ein einladendes Tor zur Stadt“ und meint damit, dass der Kunde durch eine ansprechende Beschilderung erkennen müsse, dass er sich in Barmens City befindet. Zähler vermisst Infosäulen, auf denen das Angebot in Barmen beworben wird. Mathias Wewer wünscht sich einen „Hausmeister“, der sich um die Innenstadt und um die Dekoration leer stehender Gebäude kümmert. Applaus erntete Wewer für die Forderung, die Schneeräumung besser zu organisieren.

Letztlich dienen all diese Maßnahmen in erster Linie der Verbesserung der Handelslandschaft. „Es fehlt das mittlere Preissegment“, stellte Anna Wittmer fest. Es gebe sehr hochwertige und sehr preisgünstige Geschäfte, dazwischen sei das Angebot dürftig. Gerade Investoren aus diesem Segment würden sich heute schon für den ISG-Prozess in Barmen interessieren und hätten sich bereits nach dem Stand der Planungen erkundigt

Ob der Werth überdacht (Foto von der Präsentation im Februar), illuminiert, begrünt oder neu gepflastert wird, sollen die Barmer selbst entscheiden.

Die ISG könnte 750.000 Euro kosten – in fünf Jahren

Oliver Alberts erklärte, dass die genauen Kosten der ISG erst nach Abschluss der Planungen feststehen können. Er gehe von 150.000 Euro jährlich über einen Zeitraum von fünf Jahren aus, insgesamt also 750.000 Euro. „Die Hauseigentümer sind gefordert, aber mit Beträgen, die jeder bezahlen kann.“ Als Berechnungsgrundlage könne der Einheitswert der Immobilien dienen. Mathias Wewer rechnet mit jährlichen dreistelligen oder niedrigen vierstelligen Beiträgen für die meisten Hauseigentümer.

Anwalt Zähler erläutert, dass bereits ein Verein gegründet wurde, der das ISG-Projekt tragen soll. Vorsitzender ist Oliver Alberts, Matthias Wewer ist sein Stellvertreter. Alberts appellierte an die Anwesenden, sich zu engagieren: „Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn wir nichts machen und wo wir dann in fünf Jahren sein werden.“

„Ich reibe mir die Augen, was hier vor sich geht“

In der anschließenden Fragerunde gab es fast durchweg positive Statements. Georg-Eicke Dalchow vom Einzelhandelsverband: „Ich reibe mir die Augen, was hier vor sich geht. Ich gratuliere den Barmern zur Einstellung von Frau Wittmer.“

Auf die Frage aus dem Publikum, wann „etwas Handfestes“ präsentiert werde, erläuterte die Citymanagerin, dass bewusst darauf verzichtet wurde, konkrete Vorschläge zu machen. Die Anlieger seien aufgefordert, eigene Vorschläge einzureichen. Im Anschluss werde von allen Beteiligten entschieden, welche Ideen umgesetzt werden und welche nicht.

Unterstützung für das ISG-Projekt

Von vielen Unternehmern und Hauseigentümern gab es begeisterte Zustimmung. Petra Howahrde vom gleichnamigen Modehaus gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sich ihre Kunden künftig wieder gerne in Barmen aufhalten. Die Leiterin von Hussel in Barmen erklärte, dass die Konfisserie im Falle des Zustandekommens der ISG modernisiert und dem aufgewerteten Standort angepasst werde. Anke Buddenberg von der Steuerberatung WD&P kündigte an, dem neuen Verein beizutreten und ihn auch beratend zu unterstützen.

Aufbruch statt Kleingeistigkeit

Das Bemerkenswerteste an diesem Abend: zwar gab es vereinzelt die übliche Schelte in Richtung Stadtverwaltung und „Barmen live“, aber nicht den Hauch einer Kritik an der ISG-Idee. Statt der früher in Barmen verbreiteten Kleingeistigkeit herrschte eine Aufbruchstimmung, die man hier lange nicht erlebt hat. Besser könnte es für das Team um Anna Wittmer nicht laufen. Man darf gespannt sein.

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>>> Präsentation von „Heinze & Partner“ (2,4 MB)

>>> ISG-Gesetz Nordrhein-Westfalen

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Fotos: Georg Sander, Charts: Heinze und Partner, Grafik „Dach“: lobomob

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Kommentare

  1. Zicka Abeler sagt:

    Glückwunsch und weiter so, liebe Frau Wittmer!

  2. Mich, als Autor des Romans „Stachelherzen“ wundert es schon sehr, dass seitens des ISG sämtliche Hinweise auf die im Roman angesiedelten Barmer Handlungsorte völlig ignoriert wurden. Nach meinem Verständnis eine nachhaltige Werbung für Wuppertal, explizit Barmen. Dabei würde sich für die, inzwischen bundesweite, Leserschaft eine LiteraTour durch Barmen geradezu anbieten.

    http://www.stachelherzen.de

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