Digitales Deutschlandticket: einfach, bequem, Schwarzfahrer.

Ein weiteres Beispiel, wie unbedarfte Käufer elektronischer Tickets nachträglich zu Schwarzfahrern deklariert werden.

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Wir hatten in der Vergangenheit bereits mehrfach das Thema angesprochen, wie die öffentlichen Verkehrsunternehmen wie der VRR, die Bahn oder WSW mobil mit Werbung für die angeblich so einfachen, bequemen und sicheren elektronischen Tickets gleich die ganze Verantwortung für die Ticketinfrastruktur auf die Kunden übertragen. [1] Denn der ist letztlich dafür verantwortlich, ein gültiges Ticket bei einer Kontrolle vorzeigen zu können.

Die Hälfte der Ticketautomaten an den Schwebebahnstationen sind bereits abgebaut, der Verkauf in den Bussen der WSW auf wenige teure Ticketarten beschränkt und in Zukunft kann man dort nur noch bargeldlos bezahlen. Durch Reduzierung der Möglichkeit, Tickets in Papierform zu kaufen, wird hier zwangsweise der digitalen Form etwas „nachgeholfen“.

WSW „vergessen“ die Hälfte des Wesentlichen zum Deutschlandticket

Schnappschuß von der WSW-Seite zum Deutschlandticket. Da steht nur „monatlich kündbar“ – die Angabe wann genau, fehlt natürlich.

Was liegt da für Lieschen Müller näher, als ein Deutschlandticket zu kaufen? Im WSW-Kundencenter wird sie auf die „Bedingungen“ hingewiesen, von denen komischerweise auf der Website gar keine Rede ist. Dort steht zum Deutschlandticket lediglich, das „monatlich kündbare Abonnent beträgt 58 Euro.“ Nichts davon, daß Lieschen am heutigen 14. Februar für den gesamten Februar zahlen soll oder gar erst ab März loslegen kann. Nichts davon, daß Lieschen bereits vor dem 10. März hellsehen muß, ob sie das Ticket im April noch braucht, da es sonst „automatisch weiterläuft“, mit anderen Worten die 58 Euro fleißig weiter abgebucht werden.[2]

Deutschlandticket pausieren oder monatlich anteilig bezahlen

Die Firma MoPla verspricht, das Deutschlandticket pausieren zu können.

Im Internet findet Lieschen natürlich Anbieter, die ihr mehr zusagen. Da trifft sie auf die Firma MoPla Solutions GmbH, bei der man das Deutschlandticket-Abo „pausieren“ kann. So gesehen kann man also bis 24 Stunden vor Monatsende kündigen, ohne für einen weiteren pausierten Monat blechen zu müssen. Die Firma muß doch seriös sein, schließlich wirbt sie mit etlichen Verkehrsunternehmen wie einer gewissen Vetter GmbH Omnibus- und Mietwagenbetrieb, auf die wir nachfolgend noch zu sprechen kommen.

Die Website d-ticket.com bietet sogar an, mitten im Monat einzusteigen und anteilig zu zahlen.

Lieschen findet auch das Angebot von d-ticket.com toll, das Ticketabo einfach mitten im Monat anfangen zu können und dafür nur anteilig zahlen zu müssen. Also Ticket gekauft, damit gefahren und bei Kontrollen wurde es auch akzeptiert. Bis irgendwann im Februar ein unfreundliches Kontrollgerät blökte, Lieschens Ticket sei „ungültig“, der Kontrolleur 60 Euro und die persönlichen Daten von Lieschen habe wollte und sie an der nächsten Station an die frische Luft setzte.

Lieschen ist als durchschnittlichem Internetnutzer kein Vorwurf zu machen: Daß die Domäne „d-ticket.com“ unbemerkt auf „d-ticket.su“ umgeleitet wird – eine Länderkennung, die noch für die Sowjetunion reserviert war. Daß Lieschen nicht im Impressum nachgeschaut hat und ihr dort vielleicht die britische „Limited“ aufgefallen wäre. Daß es bei all der dämlichen Datensammelleidenschaft (insbesondere der Schnüffel-Apps) kein bundesweites Register gibt, das Deutschlandticket-Kunden informiert, wenn deren Ticket nicht mehr gültig ist und ausgetauscht werden muß.

Wann ist ein elektronisches Ticket überhaupt gültig oder ungültig?

Bei Kontrollen ist neben den üblichen Merkmalen (geographische Relation, Datum, Inhaber) vor allem sicherzustellen, daß ein vorgezeigtes Ticket tatsächlich von dem Verkehrsunternehmen ausgestellt wurde, von dem es den Anschein hat. Dazu beauftragt – beispielhaft – Gevatter Busreisen einen IT-Dienstleister, der bereits passenden Ticketshop und -App anbietet. Dieser Dienstleister erstellt einen privaten Signaturschlüssel und signiert damit alle offiziellen Deutschlandtickets der Gevatter Busreisen, ganz gleich ob diese als Chipkarte oder elektronisch an die App an den Empfänger geliefert werden. Vom privaten Schlüssel wird ein öffentlicher Schlüssel (Fingerabdruck) an die Kontrolleure (Deutsche Bahn und Deutschlandtarifverbund GmbH) verschickt, mit dem die Tickets der Gevatter Busreisen bei einer Ticketkontrolle als Original erkannt werden können.

Die Verantwortung, daß der private Schlüssel nicht in fremde Hände gelangt oder gar gegen „kleines Geld“ verkauft wird, liegt beim Aussteller des Schlüssels bzw. Verkehrsunternehmen. Mitglieder im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen bedienen sich in der Regel der Kernapplikation des VDV: die privaten Schlüssel werden in Hardwaremodulen verbaut und in gesicherten Rechenzentren untergebracht. Da müßte also entweder jemand einbrechen und die Module raustragen, oder in das System einbrechen, um sich im Namen eines Verkehrsunternehmens gültige Tickets ausstellen zu können.

Wie zum Teufel kommt d-ticket.com an den privaten Signaturschlüssel einer Vetter GmbH?

Und da sind wir beim Pudels Kern: Wie Heise Online recherchiert hat, wurden die über d-ticket.com/.su erworbenen Tickets „offenbar“ mit dem Schlüssel „RICS 5211, Key-ID 1“ der oben bereits erwähnten Vetter GmbH Omnibus- und Mietwagenbetrieb (Zörbig-Salzfurtkapelle) signiert. Die verweist auf ihrer Website bezüglich des Deutschlandtickets wiederum auf die bekannte MoPla Solutions GmbH in „Made with ♥ in Munich“ (lt Website), in Laugna (lt. Handelsregister) oder in Neusäß („Geschäftsadresse“ laut Impressum).

Privater Schlüssel widerrufen, alle damit ausgestellten Tickets plötzlich ungültig

Welchen Weg der private Schlüssel von Vetter genommen hat, bleibt unklar. Vetter & Co. haben schlicht einen neuen Schlüssel „Key-ID 2“ ausgestellt und den alten „Key-ID 1“ widerrufen. Damit ausgestellten Tickets – auch jene über d-ticket.com erworbenen – sind mit einem Schlag ungültig. Und seltsamerweise bekommt Heise wie weitere Kunden auf d-ticket.com/.su keine neuen Tickets mehr, sondern nur noch Fehlermeldungen.

Es ist einmal mehr Sache der Fahrgäste hellzusehen, ob der Schlüssel ihres Deutschlandtickets noch gültig ist. Ob das Ticket in der „App“ noch drin und auch gültig ist. Dank eines fehlenden bundesweiten Registers und offenkundig fehlender Möglichkeit, unauthorisiert hergestellte Tickets* zu erkennen, darf der Fahrgast auch seinem bereits bezahlten Obolus – hier an d-ticket.com/.su – hinterherrennen.

Alles einfach, billig und sicher – für die Verkehrsunternehmen.

Was für ein Aufwand betrieben wird – die Verkehrsunternehmen bedienen sich Ticketdienstleister, Finanzdienstleister, weiteren Dienstleistern die Fahrgästen hinterherspionieren, ob sie möglicherweise nicht solvent sind – und die ganze Verantwortung für diesen Aufwand dem Fahrgast aufgedrückt wird – der hat ein gültiges Ticket vorzulegen–, ist doch nicht mehr normal. Nur, damit die Verkehrsunternehmen die Schalterzeiten und Anzahl der Automaten noch weiter reduzieren können. Alles eezy, bequem und sicher – für die Verkehrsunternehmen.

Einem durchschnittlichen Fahrgast erscheinen die „großzügigen“ Kündigungsfristen ab bzw. bis zum 10. eines Vormonats Gängelei; er sucht daher Alternativen und wird bei MoPla oder d-ticket.com fündig. Welche Angebot davon legitim sind und welche nicht, entzieht sich seiner Kenntnis. Zumal dem Fahrgast auch keine Zweifel darüber aufkommen, wenn und je länger sein Ticket als legitim durchgeht.

Hinweise, Quellen und Verweise

[1]

[2] Wikipedia zu Laufzeiten und Fristen, Stand 14. Februar 2025:
Das Ticket wird ausschließlich im Abonnement angeboten und ist monatlich kündbar. Es gilt vom ersten Kalendertag eines Kalendermonats bis zum ersten Kalendertag des Folgemonats um 3 Uhr. Beim Kauf für den laufenden Monat gilt das Ticket unabhängig vom Kaufzeitpunkt ebenfalls bis zum ersten Tag des folgenden Kalendermonats.
Das Abonnement verlängert sich automatisch um einen weiteren Monat, sofern es nicht bis zum Zehnten des Vormonats gekündigt wurde. Auch kann ein Ticket für einen einzelnen Monat ab dem Elften des Monats nicht mehr einzeln erworben werden, sondern bedingt notwendigerweise auch einen Kauf des Tickets für den Folgemonat. Die Kündigung muss bei demjenigen Unternehmen erfolgen, bei dem das Deutschlandticket gekauft wurde. Manche Verkehrsunternehmen machen eine Ausnahme von der Kündigungsfrist und akzeptieren Kündigungen bis zum Monatsende.
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutschlandticket#Laufzeiten_und_Fristen

[3] https://www.mopla.solutions/de/tickets/deutschlandticket

*) Beispielsweise durch Serialisierung der legitimen Tickets und daraus samt Inhabernamen Generierung eines Hashcodes, der in einer zentralen Datenbank auch vom Fahrgast verifiziert werden kann. Dann müßten ja illegitim erstellte Tickets auch dem Signaturinhaber auffallen.

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