20.02.2011wupperbild
Lokführerstreik – oder doch nicht?
Die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) hat Streiks angekündigt – wann und wo lässt sie jedoch völlig offen. Keine Hinweise gibt es darauf, ob wieder hunderttausende Pendler auf dem Weg zur Arbeit am Wochenbeginn auf den Bahnhöfen stranden und in Ungewissheit verharren werden.
Dass Tarifauseinandersetzungen auch mit dem hartem Mittel des Streiks geführt werden, ist das grundgesetzlich verbriefte Recht der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften. Dass hierbei auch Menschen betroffen sind, die nicht unmittelbar mit der Tarifauseinandersetzung zu tun haben, ist gerade dann unvermeidbar, wenn es sich um Wirtschaftszweige handelt, die eine große Außenwirkung entfalten. Bislang war es ein Gebot der Fairness bei Tarifauseinandersetzungen mit erheblicher Auswirkung auf die Bevölkerung, vor Beginn von Streikmaßnahmen Hinweise darauf zu geben, wie ein Streik aussehen könnte: wann ungefähr, in welchem Bundesland, welcher Betriebszweig? All dies lässt die GdL bislang vermissen.
Noch vielen Bahnkunden wird die GdL in wenig guter Erinnerung sein. Vor drei Jahren hatte sie die massive Streiks durchgeführt, die neben dem Personenverkehr auch erhebliche Störungen im Güterverkehr und in der Folge unter anderem auch Produktionseinstellungen in der Wirtschaft nach sich zogen. Die GdL stand als Synonym für unverhältnismäßige Härte, für einen Streik, bei dem Unschuldige über Gebühr belastet wurden.
Möchte sich die Lokführer-Gewerkschaft erneut bundesweit in die Schlagzeilen bringen? Worum geht es der GdL wirklich? Dies deutlich zu machen, ist eine wichtige Aufgabe. Denn daran, wie dies in den kommenden Tagen und Wochen gelingen wird, wird sich die Gewerkschaft, aber auch die anderen Tarifpartner in der Eisenbahnbranche in der Folgezeit messen lassen müssen. Dabei geht es letztendlich auch um die Glaubwürdigkeit von Gewerkschaften in anderen Branchen. Die Bevölkerung unterscheidet nur wenig zwischen privatisiertem und liberalisiertem Eisenbahnverkehr, dem Busbetrieb vor Ort, den Kindertagesstätten oder der Müllabfuhr.
Der Appell richtet sich aber auch an die andere Seite des Verhandlungstisches. Auch die Eisenbahnunternehmen sind gefordert. Nur an wenigen Stellen werden Privatbahnen bewusst wahrgenommen. Meist ist es „die Bahn“, die gescholten wird wegen unpünktlicher, verschmutzter Züge mit einem unzureichenden Platzangebot. Wenn in Folge eines akut anstehenden Streiks nicht weitere Image-Verluste bewusst riskiert werden, sollten die Arbeitgeber ihre Haltung schnellstmöglich überdenken. Alle werden im Verlaufe eines länger andauernden Streiks für das Verhalten anderer in Mithaft genommen. Niemand sollte in Zeiten wachsenden Wettbewerbs etwas zu verlieren haben.
Text & Foto: Michael Schad – wupperbild.com
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