Zuhören mit Herz und Verstand

Rund um die Uhr für alle da sein, die Hilfe und Trost brauchen: Das bedeutet Telefonseelsorge. Ein Ehrenamt, das viel verlangt und zurückgibt, sagt Max.

Im trüben November hat die Telefonseelsorge viel zu tun. Ehrenamtliche wie Max (Name geändert) sind stark im Einsatz. Er wünscht sich weitere freiwillige Helfer:innen für ein Ehrenamt, das einiges verlangt, aber auch zurückgibt.

Die Nacht ist für Max schon lange eine besondere Zeit. Nicht nur zum Lernen, sondern auch zum Zuhören. Regelmäßig hat er als Jugendlicher das Radio eingeschaltet, um den Geschichten und Sorgen von Anrufer:innen einer Talkshow zu lauschen. „Mich hat die Offenheit fasziniert, die am Telefon möglich war“, sagt er. „Dabei habe ich dann überlegt, was ich wohl antworten und wie ich helfen würde.“

In der Stille der Nacht sind Gespräche oft besonders intensiv.

Heute sitzt er einmal im Monat nachts am Telefon und führt Gespräche – ohne Radiopublikum und anonym, aber mit der gleichen Faszination für die offenen und ehrlichen Anrufe, die er bei der Wuppertaler Telefonseelsorge entgegennimmt. „In der Stille der Nacht sind die Gespräche oft besonders intensiv.“

Eine bunte Gruppe von Ehrenamtlichen

Dass es in Deutschland eine Telefonseelsorge mit knapp 8.000 Ehrenamtlichen gibt, erfuhr der 27-jährige Literaturwissenschaftler erst 2015 in einer Fernsehdokumentation. Und dass sie von den Kirchen getragen wird, war für ihn eher ein Grund der Zurückhaltung. „Nach meiner Konfirmation hatte ich nichts mehr mit Kirche zu tun und eher ein konservatives und traditionelles Bild von ihr.“

Ein moderner Arbeitsplatz, der rund um die Uhr besetzt ist.

Als er sich trotzdem vor zwei Jahren für die Ausbildung zum Telefonseelsorger entschied, war Max überrascht über die bunt gemischte und offene Gruppe der Mitarbeitenden. „Wir haben unterschiedliche Perspektiven auf Glauben und Kirche, aber für viele ist der Gedanke wichtig, dass wir als Menschen nicht ganz auf uns selbst gestellt sind, sondern ein Gott da ist.“

Überrascht über intensive Ausbildung

Von Januar bis November 2021 fand die Ausbildung statt – in Zeiten der Pandemie und des Lockdowns überwiegend einmal in der Woche per Zoom. Hinzu kamen vier Seminarwochenenden und Hospitationen in der Wuppertaler Telefonseelsorge. Dass die Ausbildung nicht nur aus dem Erlernen von Gesprächstechniken bestand, sondern auch aus viel Reflexion über die eigene Biografie, Vorurteile und Emotionen, hätte Max nicht erwartet.

Ich erkenne schon an der Stimme, wie es Menschen geht.

„Ich habe mich selbst besser kennengelernt, was mir nicht nur für das Ehrenamt, sondern auch im Beruf und Privatleben enorm viel gebracht hat.“ Früher sei er in Gesprächen ganz oft auf der „Sachebene“ geblieben, erzählt er. Heute erkenne er schon an der Stimmlage, wie es Kolleg:innen gehe und könne sensibler reagieren und damit manch unnötigen Konflikt vermeiden. „Durch mein Ehrenamt in der Telefonseelsorge habe ich gelernt, genauer hinzuhören, nachzufragen und nicht direkt mit guten Ratschlägen zu kommen.“

Keine guten Ratschläge bitte!

Einsamkeit ist ein häufiges Thema in der Telefonseelsorge.

Darum geht es auch in der Telefonseelsorge nicht. Wer dort anruft, will erst einmal loswerden, was ihm oder ihr auf der Seele brennt: Einsamkeit, Trennungen, Schicksalsschläge, Stress mit Familie, Freund:innen oder Arbeitskolleg:innen und nicht selten auch Suizidgedanken oder sogar -versuche.

„Ein paar gute Tipps und die Probleme sind gelöst: Das funktioniert nicht und ist auch nicht unsere Aufgabe“, betont Max. „Es geht darum, gemeinsam im Gespräch herauszufinden, was in der jeweiligen Krise hilfreich sein könnte.“

Liebeskummer gibt es in jedem Alter

Dabei sei es ziemlich egal, ob ein Teenager oder eine Dame aus dem Altenheim anrufe, meint Max. „Liebeskummer und Einsamkeit gibt es in jedem Alter.“

Unterstützung im Hintergrund

Zu jung für die Aufgabe fühlt er sich daher nicht. Aber manchmal gehen ihm Gespräche länger nach. Vor allem dann, wenn er sie beenden muss, „obwohl jemand bitterlich weint“.

Erfahrene Telefonseelsorgerin: Leiterin Jula Heckel-Korsten unterstützt die Ehrenamtlichen und bildet sie fort.

Unterstützung für die schwierigen Fälle kann sich Max jederzeit von der Leiterin der Telefonseelsorge, Jula Heckel-Korsten, holen. Zudem gibt es regelmäßig Supervision. „Ich kann mir kein besseres Ehrenamt vorstellen“, betont Max. Ein Tages- und Nachdienst pro Monat sind Pflicht. Doch gerne macht er mehr – vor allem die Schichten am Abend, wenn es ruhiger wird und die Nacht bevorsteht.

Text und Fotos: Sabine Damaschke/KK

Ehrenamt in der Telefonseelsorge

Die TelefonSeelsorge Wuppertal ist eine ökumenische Einrichtung, die von der evangelischen und katholischen Kirche getragen wird und deren Arbeit auf christlichen Grundsätzen beruht. Rund 80 Ehrenamtliche sind derzeit für sie tätig. Im Rahmen einer fundierten Ausbildung werden sie intensiv darauf vorbereitet, Menschen zur Seite zu stehen. Der nächste Ausbildungsjahrgang beginnt Ende Januar 2023. Weitere Ehrenamtliche sind herzlich Willkommen!

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